Feuer Und Stein
Menschenverstand haben.«
Ich ließ das Messer fallen, breitete die Arme aus und mußte nicht lange warten, bis Jamie die Einladung annahm. Als er mich schließlich losließ, hob ich das Messer wieder auf und sagte neckend: »Ich habe mich immer gefragt, wie du hast Jungfrau bleiben können. Sind denn die Mädchen in Lallybroch alle so häßlich?«
»Nein«, sagte er und blinzelte in die Morgensonne. »Es war vor allem mein Vater, der dafür verantwortlich war. Wir sind manchmal abends über die Felder gegangen, er und ich, und haben über dies und das geredet. Als ich alt genug war, sagte er mir, ein Mann müsse für den Samen, den er sät, die Verantwortung übernehmen, denn es sei seine Pflicht, sich um die Frau zu kümmern und sie zu beschützen. Und wenn ich nicht bereit sei, das zu tun, dann hätte ich kein Recht, die Folgen meines Handelns einer Frau aufzubürden.«
Er schaute zum Haus zurück und zu dem kleinen Familienfriedhof am Fuß des Turmes, wo seine Eltern begraben lagen.
»Er sagte, das Schönste im Leben eines Mannes wäre es, bei einer Frau zu liegen, die er liebt.« Und mit einem Lächeln fügte er hinzu: »Er hatte recht.«
Ich fuhr ihm mit den Fingerspitzen zart über die Wange.
»Ziemlich hart für dich, wenn er von dir erwartet hat, daß du dich geduldest, bis du verheiratet bist.«
Jamie grinste. Sein Kilt flatterte im frischen Herbstwind.
»Die Kirche sagt zwar, Selbstbefleckung sei eine Stünde, aber mein Vater meinte, wenn ein Mann die Wahl hätte, sich selbst oder ein armes Weib zu beflecken, dann müßte er eben das Opfer bringen.«
Als ich aufhörte zu lachen, meinte ich nur: »Und du bist eine Jungfrau geblieben.«
»Das habe ich aber nur der Gnade Gottes und meinem Vater zu verdanken. Seit ich vierzehn geworden bin, habe ich an nichts anderes als an Mädels gedacht. Aber da kam ich ja dann als Pflegekind zu Dougal nach Beannachd.«
»Gab es dort keine Mädchen? Ich dachte, Dougal hätte Töchter.«
»Aye, hat er auch, vier an der Zahl. An den beiden Jüngeren ist nichts Besonderes, aber die Älteste war wirklich hübsch. Molly war ein oder zwei Jahre älter als ich und machte sich nicht viel aus meinen Aufmerksamkeiten. Ich starrte sie beim Abendessen quer über den Tisch an, und sie schaute streng zurück und fragte, ob ich Schnupfen hätte. Wenn ja, dann sollte ich ins Bett gehen, wenn nein, dann wäre sie mir dankbar, wenn ich den Mund schließen würde, weil sie beim Essen nicht unbedingt auf meine Mandeln schauen wollte.«
»Aha, so bist du also Jungfrau geblieben«, sagte ich und raffte die Röcke, um einen Zaunübertritt zu benutzen. »Aber sie waren doch wohl nicht alle so?«
»Nein«, sagte er nachdenklich und reichte mir die Hand, um mir hinüberzuhelfen. »Das waren sie auch nicht. Mollys jüngere Schwester, Tabitha, war ein bißchen freundlicher.« Er lächelte bei der Erinnerung an sie.
»Tibby war das erste Mädchen, das ich geküßt habe. Oder vielleicht sollte ich sagen, das erste Mädchen, das mich geküßt hat. Ich trug zwei Eimer Milch vom Stall zur Milchkammer und überlegte mir die ganze Zeit, wie ich es anstellen könnte, sie hinter die Tür zu locken, wo sie nicht ausweichen konnte, und sie dort zu küssen. Aber ich hatte die Hände voll, und sie mußte mir die Tür öffnen. Schließlich stand ich hinter der Tür, und Tib ging auf mich zu, faßte mich an den Ohren und küßte mich. Habe natürlich die Milch verschüttet.«
»Eine denkwürdige erste Erfahrung«, sagte ich lachend.
»Ich glaube nicht, daß es ihre erste war«, sagte er grinsend. »Sie schien deutlich mehr davon zu verstehen als ich. Aber wir sind nicht sehr weit gekommen. Ein oder zwei Tage später hat uns ihre Mutter in der Speisekammer erwischt. Sie hat nicht mehr getan, als mir einen scharfen Blick zuzuwerfen und Tibby aufzufordern, den Tisch fürs Abendessen zu decken, aber sie muß es Dougal gesagt haben.«
Da Dougal MacKenzie so schnell bei der Hand war, die Ehre seiner Tochter zu verteidigen, konnte ich nur das Schlimmste befürchten.
»Was hat er getan?« fragte ich.
Jamie warf mir einen etwas schüchternen Blick von der Seite zu.
»Du weißt doch, daß junge Männer am Morgen, wenn sie aufwachen, … also oft mit…« Er errötete.
»Ja, ich weiß. Kommt auch bei Männern im fortgeschrittenen Alter von dreiundzwanzig Jahren vor. Du meinst, das wäre mir noch nicht aufgefallen? Du hast mich oft genug darauf aufmerksam gemacht.«
»Mmmpf. Nun, am Morgen, nachdem uns
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