Feuer Und Stein
ziemte.
Jenny lächelte ihm nach und wandte sich dann zu mir. Sie stellte den Kasten auf das Bett und öffnete ihn. Darin lagen in wildem Durcheinander Schmuck und modischer Krimskrams, was mich bei der ordentlichen Jenny Murray überraschte, die ihren Haushalt mit eiserner Hand perfekt organisiert hatte.
Sie stocherte mit einem Finger in den Schätzen herum. Plötzlich schaute sie mich an, lächelte und sagte, als hätte sie meine Gedanken gelesen:
»Ich nehme mir immer mal wieder vor, das alles zu ordnen. Aber als ich klein war, hatte meine Mutter diesen Kasten, und ich durfte manchmal darin herumkramen. Es war wie ein Zauberschatz - ich wußte nie, was ich finden würde. Ich fürchte, wenn es alles ordentlich wäre, dann wäre der Zauber dahin. Blöd, oder?«
»Nein«, lächelte ich sie an, »überhaupt nicht.«
Wir stöberten in der Schatztruhe herum, in der die Kostbarkeiten von vier Generationen von Frauen aufbewahrt waren.
»Die gehörte meiner Großmutter Fraser«, sagte Jenny und hielt eine silberne Brosche hoch. Sie war wie ein Halbmond geformt, aus durchbrochenem Gold gearbeitet, und an der Spitze funkelte ein einzelner Diamant wie ein Stern.
»Und das« - sie zog einen schmalen Goldreifen heraus, der mit einem in Brillanten gefaßten Rubin geziert war -, »das ist mein Ehering. Ian hat ein halbes Jahreseinkommen dafür hingegeben, obwohl ich ihm gesagt habe, er wäre verrückt.« Das innige Lächeln ließ vermuten, daß Ian alles andere als verrückt gewesen war.
Sie rieb den Stein an ihrem Kleid und bewunderte ihn noch einmal, bevor sie ihn zurücklegte.
»Ich bin froh, wenn das Baby geboren ist«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Meine Finger sind morgens so geschwollen, daß ich mir kaum die Schuhe binden kann, geschweige den Ring tragen.«
Mein Blick fiel auf etwas Nichtmetallisches, das am Boden des Kastens glänzte, und ich fragte Jenny, was es sei.
»Oh, die Armreifen. Ich habe sie nie getragen, sie stehen mir nicht. Aber du könntest sie tragen - du bist groß und hast was von einer Königin an dir, wie meine Mutter. Sie haben ihr gehört, weißt du.«
Sie zog die beiden Armreifen heraus. Sie waren aus dem fast kreisförmigen Stoßzahn eines wilden Ebers gefertigt, in den filigrane Blumenranken geschnitzt waren. Die Enden waren in Silber gefaßt. Die Reifen waren poliert und glänzten elfenbeinfarben.
»Mein Gott, sind die schön! Ich habe noch nie etwas so… so herrlich Barbarisches gesehen.«
Jenny amüsierte sich. »Meine Mutter hat sie von jemandem als Hochzeitsgeschenk bekommen, aber sie hat nie gesagt, von wem. Mein Vater hat sie hin und wieder wegen diesem unbekannten Verehrer aufgezogen, aber sie hat ihn nicht preisgegeben, hat nur wie eine Katze gelächelt, die gerade den Sahnetopf ausgeschleckt hat. Hier, probier sie an.«
Die Reifen fühlten sich kühl und schwer an. Ich konnte nicht widerstehen, über die seidige Oberfläche zu streichen.
»Sie stehen dir gut«, erklärte Jenny. »Und sie passen gut zu dem gelben Kleid. Hier sind die Ohrstecker - leg sie an, und dann gehen wir hinunter.«
Murtagh saß am Küchentisch und biß von einem Stück Schinken ab, das er auf seinen Dolch gespießt hatte. Als Mrs. Crook mit einer Platte an ihm vorbeiging, ließ sie flugs drei ofenfrische Haferbrötchen auf seinen Teller gleiten.
Jenny eilte hin und her, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Einen Moment lang blieb sie hinter Murtagh stehen und schaute auf dessen Teller, der sich rapide leerte.
»Tu dir keinen Zwang an, Mann. Wir haben schließlich noch ein zweites Schwein im Stall.«
»Du gönnst deinem Verwandten wohl nichts, he?« gab er mit vollen Backen zurück.
»Ich soll dir nichts gönnen?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Um Himmels willen. Schließlich hast du erst vier Teller voll gegessen. Mrs. Crook«, rief sie der entschwindenden Haushälterin nach, »wenn Sie mit den Brötchen fertig sind, dann geben Sie diesem armen Mann doch eine Schüssel Haferbrei. Wir wollen schließlich nicht, daß er uns ohnmächtig zusammenbricht.«
Als Murtagh mich in der Tür stehen sah, verschluckte er sich prompt an einem Stück Schinken.
»Mmmpf«, sagte er zur Begrüßung, nachdem Jenny ihm kräftig auf den Rücken geklopft hatte.
»Freut mich auch, dich zu sehen«, antwortete ich und setzte mich ihm gegenüber. »Danke übrigens.«
»Mmpf?« Die Frage wurde von einem halben Haferbrötchen, dick mit Honig bestrichen, erstickt.
»Daß du meine Sachen aus der
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