Feuer Und Stein
war abgerissen und schmutzig. Aber noch schlimmer war, daß es hinter seinem Vater her schlich, die Augen auf den Boden gerichtet, und jedesmal zusammenzuckte, wenn Ronald ihn anfuhr. Jamie, der zur Tür seines Arbeitszimmers gekommen war, sah es auch und tauschte einen scharfen Blick mit Jenny aus, die gerade frischen Most brachte. Sie nickte unmerklich und reichte ihm den Krug. Dann nahm sie das Kind fest an der Hand und zog es mit sich in die Küche. »Komm mit, Junge. Ich glaube, da sind noch ein oder zwei Stück Streuselkuchen da. Oder magst du lieber Obstkuchen?«
Jamie begrüßte Ronald MacNab mit einem Nicken und ließ ihn vor sich ins Arbeitszimmer gehen. Als er die Tür hinter sich schließen wollte, begegeneten sich unsere Blicke, und er machte eine Kopfbewegung in Richtung Küche. Ich nickte und folgte Jenny und dem jungen Rabbie.
In der Küche bemühten sich nun Jenny und Mrs. Crook um den Jungen. Mrs. Crook schöpfte gerade Punsch aus einem großen Kessel in eine Kristallschale. Sie füllte einen Holzbecher und hielt
ihm den mißtrauischen Jungen hin. Es dauerte eine Weile, bis er den Arm ausstreckte und danach griff. Jenny plauderte zwanglos, während sie die Platten mit Kuchen belud, erntete aber nicht viel mehr als ein paar knurrende Geräusche. Dennoch schien sich das halbwilde kleine Geschöpf ein wenig zu entspannen.
»Dein Hemd ist ein bißchen schmuddelig«, bemerkte sie und lehnte sich nach vorne, um den Kragen umzuschlagen. »Zieh es aus, ich wasche es für dich.« »Schmuddelig« war eine grobe Untertreibung, aber der Junge wollte nichts davon wissen und machte Anstalten davonzulaufen. Ich stand hinter ihm, und auf ein Signal von Jenny packte ich ihn an den Armen und hielt ihn fest.
Er wehrte sich mit Händen und Füßen, aber zu dritt gelang es uns, ihm das Hemd auszuziehen.
»Ah!« Jenny zog den Atem scharf ein. Sie hielt den Kopf des Jungen fest unter dem Arm, so daß sein Rücken, an dem man die Rippen einzeln zählen konnte, gut zu sehen war. Die Haut war übersät mit Striemen und Narben. Manche waren frisch, andere so alt, daß sie schon verblaßt waren. Jenny ließ seinen Kopf los, packte ihn aber fest am Nacken, während sie beruhigend auf ihn einsprach. Mich schickte sie mit einer Kopfbewegung zu Jamie.
Ich klopfte zögernd an die Tür des Arbeitszimmers. Als Vorwand hatte ich einen Teller Haferkuchen in der Hand.
Mein Gesichtsausdruck muß wohl für sich gesprochen haben, als ich MacNab den Teller hinhielt, denn ich mußte Jamie nicht mehr um ein Gespräch unter vier Augen bitten. Er sah mich einen Augenblick lang an und wandte sich dann wieder zu seinem Pächter.
»Nun denn, Ronnie, dann wären wir soweit klar, was das Getreide betrifft. Aber ich wollte mir dir über etwas anderes sprechen. Du hast doch einen Jungen namens Rabbie, und ich brauche einen in diesem Alter für den Stall. Wärst du einverstanden, daß er bei mir arbeitet?« Ian, der an einem kleineren Tisch an der Seite saß, starrte MacNab mit unverhohlenem Interesse an.
MacNab stierte Jamie streitlustig an. Er schien die übellaunige Reizbarkeit eines Mannes zu haben, der nicht betrunken war, es aber gerne sein möchte.
»Nein, ich brauche ihn selber«, antwortete er barsch.
»Mm.« Jamie lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände. »Ich würde dich natürlich für seine Dienste bezahlen.«
Der Mann grunzte und rutschte auf dem Stuhl hin und her.
»Da steckt doch meine Mutter dahinter, oder? Ich habe nein gesagt, und dabei bleibt’s. Er ist mein Sohn, und ich kann mit ihm machen, was ich will. Und ich will, daß er zu Hause bleibt.«
Jamie betrachtete MacNab nachdenklich und vertiefte sich dann ohne weitere Diskussion in seine Bücher.
Am späten Nachmittag, als sich das Haus allmählich zu leeren begann, sah ich durchs Fenster, wie Jamie mit dem zerlumpten MacNab in Richtung Schweinestall schlenderte. Er hatte ihm den Arm kameradschaftlich um die Schultern gelegt. Das Paar verschwand hinter dem Stall, vermutlich um etwas von landwirtschaftlichem Interesse zu inspizieren. Nach ein oder zwei Minuten tauchten sie wieder auf und gingen zum Haus.
Jamie hatte den Arm immer noch um die Schultern des Kleineren gelegt, aber nun schien es, als müßte er ihn stützen. MacNabs Gesicht hatte eine ungesunde graue Farbe und war schweißüberströmt. Er schien sich kaum aufrecht halten zu können.
»Dann ist ja alles in Ordnung«, war Jamies fröhliche Stimme zu vernehmen, als sie in Hörweite
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