Feuer Und Stein
Zopf. Ich kann dich schließlich nicht wie einen Wilden zu deinen Pächtern gehen lassen.«
Jamie brummelte aufrührerisch in seinen Bart, beugte sich dann aber den Maßnahmen seiner Schwester, die das widerspenstige Haar zu einem dicken Zopf flocht. Dann griff sie in die Tasche und zog triumphierend ein blaues Seidenband hervor, das sie zu einer Schleife band.
»Fertig!« rief sie. »Ist er nicht hübsch?« vergewisserte sie sich bei mir, und ich mußte ihr recht geben. Das straff zurückgebundene Haar ließ seine markanten Gesichtszüge erst richtig zur Geltung kommen. In dem schneeweißen Leinenhemd und der grauen Reithose machte er eine fabelhafte Figur.
»Besonders die Schleife«, antwortete ich und unterdrückte ein Lachen. »Sie hat dieselbe Farbe wie seine Augen.«
Jamie funkelte seine Schwester an.
»Nein«, meinte er kurz angebunden, »keine Schleife. Wir sind doch nicht in Frankreich oder am Hof von König Geordie! Selbst wenn sie die Farbe des Mantels der heiligen Jungfrau hätte - keine Schleife, Janet!«
»Dann eben nicht, du alter Meckerfritze!« Sie zog die Schleife ab und trat zurück.
»So kannst du dich sehen lassen«, sagte sie befriedigt. Dann musterte sie mich nachdenklich.
Da ich mehr oder weniger in Lumpen angekommen war, mußten mir schnell zwei Kleider angefertigt werden; eins aus selbstgewebter Wolle für alle Tage, und eins aus Seide für besondere Anlässe. Da ich Wunden besser zusammennähen konnte als Stoff, hatte ich mich auf Hilfsarbeiten wie Stecken und Heften beschränkt und den Entwurf und das Nähen Jenny und Mrs. Crook überlassen.
Das Ergebnis war wunderbar. Die schlüsselblumengelbe Seide schmiegte sich wie ein Handschuh an meinen Oberkörper und fiel in luxuriösen Falten nach unten. Da ich mich weigerte, ein Korsett zu tragen, hatten sie das Oberteil mit Fischbein verstärkt.
Jennys Augen wanderten langsam von meinen Füßen bis zum Kopf. Mit einem Seufzer griff sie nach der Bürste.
»Du auch« sagte sie.
Das Blut schoß mir in die Wangen und ich vermied es, Jamie anzuschauen, während sie sorgsam kleine Zweige und Blätter aus meinen Haaren löste und neben die Sammlung ihres Bruders legte. Als mein Haar schließlich hochgesteckt war, zog sie ein kleine Spitzenkappe aus ihrer Tasche und befestigte sie auf meinen Locken. »Jetzt siehst du wirklich sehr respektabel aus, Claire.«
Vermutlich sollte das ein Kompliment sein, und ich murmelte ein Dankeschön.
»Hast du denn irgendwelchen Schmuck?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Alles, was ich hatte, waren die Perlen, die mir Jamie zur Hochzeit geschenkt hat, und die -« Unter den besonderen Umständen unserer Abreise von Leoch waren die Perlen das letzte, was mir in den Sinn gekommen wäre.
»Oh!« rief Jamie aus, dem plötzlich was einfiel. Er kramte in seiner Felltasche, die auf dem Tisch lag, und zog die Perlenkette triumphierend hervor.
»Wo hast du denn die her?« fragte ich erstaunt.
»Murtagh hat sie heute früh gebracht«, antwortete er. »Während des Prozesses ist er nach Leoch zurück und hat alles mitgenommen, was er tragen konnte; er meinte, wir würden es wohl haben wollen, wenn wir mit heiler Haut davonkämen. Auf dem Weg hierher hat er nach uns gesucht, aber wir haben ja noch einen Umweg zu dem … dem Hügel gemacht.«
»Ist er noch da?« fragte ich.
Jamie stand hinter mir und legte mir die Perlenkette an.
»Aye. Er ist unten in der Küche, ißt alles auf, was er kriegen kann, und treibt seine Scherze mit Mrs. Crook.«
Bisher hatte ich den drahtigen kleinen Mann kaum drei Dutzend Worte sprechen hören, und die Vorstellung, daß er mit jemandem »Späße trieb«, schien recht abwegig. Er mußte sich in Lallybroch wirklich zu Hause fühlen.
Plötzlich fiel Jenny etwas ein. Sie klatschte in die Hände:
»Ohrringe!« rief sie aus. »Ich glaube, ich habe welche aus Perlen, die genau zur Kette passen! Ich geh’ und hol’ sie.« Und schon war sie aus dem Zimmer.
»Warum nennt dich deine Schwester Roy?« fragte ich neugierig. Er arrangierte gerade sein Halstuch und wie alle Männer, die solcherart beschäftigt sind, sah er dabei aus, als würde er sich gerade mit einem Todfeind herumschlagen. Aber er entspannte seine zusammengepreßten Lippen und grinste mich an.
»Nicht der englische Name Roy. Es ist ein gälischer Spitzname; hat mit meiner Haarfarbe zutun. Das Wort ruadh bedeutet ›rot‹.« Er mußte das Wort buchstabieren und mehrmals aussprechen, bevor ich den
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