Feuer Und Stein
aus, als wäre er glücklich.«
Anders als geplant, reisten wir am nächsten Tag doch nicht ab. Mitten in der Nacht weckten mich Stimmen. Als ich mich umdrehte, sah ich Ian mit einer Kerze in der Hand am Bett stehen.
»Das Baby kommt«, sagte Jamie, als er merkte, daß ich wach war. Er setzte sich gähnend auf. »Ist es nicht ein bißchen früh, Ian?«
»Kann man nie wissen, Klein Jamie kam zu spät. Besser zu früh als zu spät.« Ian lächelte nervös.
»Sassenach, kannst du ein Kind entbinden? Oder soll ich die Hebamme holen?« Ich antwortete ohne zu zögern.
»Hol die Hebamme.« Ich hatte während der Ausbildung nur drei Geburten gesehen, und die hatten alle in einem sterilen Operationssaal stattgefunden; die Patientinnen waren betäubt und mit Tüchern bedeckt, so daß man nur den geschwollenen Damm sehen konnte und plötzlich den Kopf.
Nachdem Jamie aufgebrochen war, um Mrs. Martins, die Hebamme, zu holen, ging ich mit Ian hinauf.
Jenny saß in einem Sessel am Fenster und lehnte sich bequem zurück. Sie hatte ein altes Nachthemd angezogen, hatte das Bettzeug weggeräumt und eine alte Decke über die Matratze gebreitet. Nun saß sie da und wartete. Sie lächelte, als würde sie auf etwas lauschen, was nur sie hören konnte. Ian ging nervös im Zimmer herum und macht sich hier und dort zu schaffen. Schließlich schickte sie ihn zu Mrs. Crook.
»Sage ihr doch bitte, sie solle alles für Mrs. Martins vorbereiten. Sie weiß schon, was zu tun ist.« Sie keuchte und legte sich beide Hände auf den hochgewölbten Bauch. Ich sah fasziniert, wie sich ihr Bauch plötzlich rund und fest nach oben bewegte. Sie biß sich auf die Lippen und entspannte sich dann wieder.
Ian legte zögernd eine Hand auf ihre Schulter, sie bedeckte sie mit ihrer eigenen und schaute lächelnd zu ihm auf.
»Und sag ihr, sie soll dir was zu essen geben. Du und Jamie, ihr werdet es brauchen. Es heißt, das zweite Kind käme schneller als das erste; vielleicht kann ich schon einen Bissen essen, wenn du mit dem Frühstück fertig bist.«
Er drückte ihre Schulter, küßte sie und murmelte ihr etwas ins Ohr, bevor er ging. In der Tür zögerte er noch einmal, aber sie schickte ihn entschieden weg.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Jamie endlich mit der Hebamme zurückkam. Die Wehen wurden immer stärker, und ich immer nervöser. Ja, es stimmte, das zweite Kind kam in der Regel schneller. Was, wenn dieses hier nicht auf Mrs. Martins warten wollte?
Anfangs plauderte Jenny noch mit mir. Wenn eine Wehe kam, beugte sie sich nach vorn und hielt sich stöhnend den Bauch. Aber
bald hatte sie kein Bedürfnis mehr zu reden und legte sich zwischen den Wehen still zurück. Als die Wehen immer schlimmer wurden, stand sie mühsam auf und bat mich, mit ihr herumzugehen.
Ich faßte sie fest unter dem Arm und stützte sie. Wir machten mehrere Runden durchs Zimmer, hielten an, wenn eine Wehe kam, und gingen weiter, wenn sie nachließ. Kurz bevor die Hebamme kam, hatte sich Jenny aufs Bett gelegt.
Mrs. Martins sah vertrauenerweckend aus; sie war groß und dünn, hatte breite Schultern und muskulöse Unterarme und machte einen freundlichen und kompetenten Eindruck. Zwischen ihren eisengrauen Augenbrauen standen zwei senkrechte Falten, die sich noch vertieften, wenn sie sich konzentrierte.
Mrs. Crook hatte einen Stapel frischgebügelter Laken gebracht, und Mrs. Martins nahm eins davon und legte es zusammengefaltet unter Jenny. Ich war überrascht, einen dunklen Blutfleck zwischen ihren Schenkeln zu sehen, als sie den Unterkörper leicht anhob.
Mrs. Martins bemerkte meinen sorgenvollen Blick, nickte mir aber beruhigend zu.
»Ist alles in Ordnung. Nur wenn das Blut hellrot ist und sehr viel auf einmal kommt, stimmt etwas nicht.«
Wir setzten uns alle hin und warteten. Mrs. Martins redete Jenny ruhig zu, massierte ihr das Kreuz und drückte fest, wenn Wehen kamen.
Jennys Haare waren inzwischen schweißnaß und ihr Gesicht rot vor Anstrengung. Ein Kind zur Welt zu bringen, war verdammt harte Arbeit.
Während der nächsten zwei Stunden ging es kaum vorwärts, außer daß die Schmerzen immer schlimmer wurden. Jenny konnte kaum mehr auf Fragen antworten; nach jeder Wehe lag sie keuchend da, und ihre Gesichtsfarbe wechselte innerhalb von Sekunden von Rot zu Weiß.
Wieder preßte sie die Lippen zusammen, und als die Wehe nachließ, winkte sie mich zu sich heran.
»Wenn das Kind lebt«, sagte sie nach Luft ringend, »und es ein Mädchen ist… dann soll
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