Feuer Und Stein
hinter den Kiefern auf dem Hügel, und bald leuchteten die ersten Sterne auf. Es war Mitte November, und die Abendluft war kalt, obwohl es tagsüber noch warm war. Jamie legte seine Stirn an meine.
»Fang du an.«
»Nein, du.«
»Warum?«
»Weil ich Angst habe.«
»Und wovor, Sassenach?« Die Dunkelheit breitete sich über den Feldern aus, füllte das Land und stieg der Nacht entgegen. Im Mondlicht zeichneten sich die Linien seiner Nase und seiner Stirn scharf ab.
»Ich habe Angst, daß ich, wenn ich anfange, nie wieder aufhöre.«
»Es ist fast Winter, und die Nächte sind lang, mo duinne .« Ich schmiegte mich in seine Arme und spürte die Hitze seines Körpers und das Pochen seines Herzens.
»Ich liebe dich.«
32
Eine schwere Geburt
Einige Tage später war ich abends wieder auf der Anhöhe hinter dem Haus und grub Lerchenspornknollen aus. Ich hörte Schritte im Gras und dachte, es wäre Jenny oder Mrs. Crook, die mich zum Abendessen rufen wollten. Statt dessen kam Jamie herauf; seine Haare waren naß, weil er sich schon gewaschen hatte, aber er trug immer noch sein Arbeitshemd. Er stellte sich hinter mich, legte die Arme um mich und ließ das Kinn auf meine Schulter sinken. Gemeinsam schauten wir zu, wie die Sonne hinter den Kiefern unterging. Die Landschaft um uns herum verlor langsam ihren Glanz, aber wir rührten uns nicht. Tiefe Zufriedenheit erfüllte uns. Als es schließlich dunkel wurde, hörte ich Jenny vom Haus aus rufen.
»Wir sollten hineingehen«, sagte ich und regte mich widerwillig.
»Mmm.« Jamie blieb stehen und zog mich noch enger an sich. Sein Blick ruhte immer noch auf der Landschaft, als wollte er sich jeden Stein und jeden Grashalm einprägen.
Ich drehte mich zu ihm und umarmte ihn.
»Was ist?« fragte ich ruhig. »Müssen wir bald abreisen?« Bei der Aussicht, Lallybroch verlassen zu müssen, wurde mir das Herz schwer, aber ich wußte, daß es gefährlich war, länger hierzubleiben; jederzeit konnten die Rotröcke auftauchen, und wir durften nicht damit rechnen, daß es ein zweites Mal so glimpflich abgehen würde.
»Aye. Morgen, oder spätestens übermorgen. In Knockchoilum, zwanzig Meilen von hier, sind Engländer.«
Er drückte mich an seine Brust. Ich spürte immer noch die Sonne auf seiner Haut und atmete den Geruch von Schweiß und Haferstroh ein. Er hatte bei den letzten Erntearbeiten geholfen. Der Geruch erinnerte mich an das Abendessen vor einer Woche, wo sich herausstellte, daß Jenny mich endgültig als Familienmitglied akzeptiert hatte.
Ernten war Schwerstarbeit, und Ian und Jamie hatten oft Mühe, beim Abendessen die Augen aufzuhalten. An jenem Abend war ich hinausgegangen, die Nachspeise zu holen, und als ich zurückkam, waren beide am Tisch fest eingeschlafen. Ian saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken, und er atmete schwer. Jamie hatte die Wange auf die verschränkten Arme gelegt und schnarchte friedlich zwischen Tellern und Pfeffermühle.
Jenny nahm mir den Pudding aus der Hand und tat uns auf. Sie schüttelte den Kopf angesichts der schlafenden Männer.
»Sie haben so heftig gegähnt, daß ich nur noch aufhören mußte zu reden, und zwei Minuten später waren beide weg.« Sie strich Ian zärtlich eine Strähne aus der Stirn.
»Deswegen werden hier im Juli so wenig Babys geboren«, erläuterte sie mit einem schelmischen Grinsen. »Im November schaffen es die Männer nicht, lang genug wach zu bleiben, um eins auf den Weg zu bringen.« Das war durchaus wahr, und ich lachte. Jamie bewegte sich, und ich legte ihm beruhigend die Hand auf den Nacken. Sofort breitete sich ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Dann schlief er lautlos weiter.
Jenny, die ihn beobachtet hatte, sagte: »Das ist komisch. Das hat er als kleines Kind gemacht.«
»Hat was gemacht?«
Sie nickte. »Im Schlaf lächeln. Das hat er immer getan, wenn jemand an seiner Wiege oder später an seinem Bettchen stand und ihn streichelte. Manchmal haben Mutter und ich ihm abwechselnd den Kopf gestreichelt, um zu sehen, ob wir ihn zum Lächeln bringen konnten.«
Ich probierte es gleich noch einmal und streichelte ihn sanft. Tatsächlich wurde ich sofort mit einem süßen Lächeln belohnt, das ein Weilchen um seine Lippen spielte, bis sein Gesicht wieder den strengen Ausdruck annahm, den es normalerweise im Schlaf hatte.
»Warum er das wohl tut?« fragte ich und betrachtete ihn fasziniert. Jenny zuckte mit den Achseln und grinste mich an.
»Sieht so
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