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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Schwere Gehirnerschütterung, dachte ich mechanisch. Vielleicht ein Schlaganfall. Es wäre mir egal gewesen, wenn er vor meinen Augen krepiert wäre.
    »Du schaffst mich nicht alleine, ob ich nun ein oder zwei Hände habe.« Jamie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, ich bin größer und ein besserer Kämpfer. Hättest du deine Finger nicht an dieser Frau, dann hätte ich dir dieses Messer schon längst in die Gurgel gerammt. Und nur weil du das weißt, hast du ihr noch nichts getan.«
    »Aber ich habe sie. Du könntest natürlich verschwinden. Es gibt einen Ausgang, ganz in der Nähe. Aber natürlich würde deine Frau - du hast doch gesagt, sie ist deine Frau? - sterben.«
    Jamie zuckte mit den Achseln. »Und ich auch. Ich würde nicht weit kommen mit der ganzen Garnison auf den Fersen. Vielleicht wäre es vorzuziehen, im Freien erschossen als hier drinnen erhängt zu werden, aber so groß ist der Unterschied auch wieder nicht.«
    Sein Gesicht verzog sich einen Augenblick vor Schmerz, und er hielt den Atem an. Dann holte er mit flachen, keuchenden Atemzügen Luft. Der Schockzustand, der ihn vor den schlimmsten Schmerzen bewahrt hatte, schien nachzulassen.
    »Wir haben also einen toten Punkt erreicht«, sagte Randall in seinem gepflegten englischen Konversationston. »Es sei denn, du hast einen Vorschlag.«
    »Ja, das habe ich. Du willst mich.« Jamies Stimme war kühl und sachlich. »Laß die Frau los, und du kannst mich haben.« Die Messerspitze bewegte sich leicht und ritzte mein Ohr. Ich spürte, wie warmes Blut heraussickerte.
    »Mach mit mir, was du willst. Ich wehre mich nicht. Du kannst mich sogar fesseln, wenn du meinst, das wäre nötig. Und ich werde
morgen nichts davon sagen. Aber zuerst bringst du die Frau sicher aus dem Gefängnis heraus.« Meine Augen ruhten auf Jamies zerschlagener Hand. Unter seinem Mittelfinger bildete sich eine kleine Blutlache, und mit Schrecken wurde mir klar, daß er den Finger absichtlich an den Tisch preßte, damit ihn der Schmerz bei Bewußtsein hielt. Er feilschte um mein Leben und bot das einzige an, was er noch hatte - sich selbst. Wenn er jetzt ohnmächig wurde, dann war diese letzte Chance vertan.
    Randall hatte sich völlig entspannt. Die Klinge lag achtlos auf meiner linken Schulter, während er nachdachte. Jamie sollte am nächsten Morgen aufgehängt werden. Früher oder später würde man ihn vermissen und die Festung nach ihm absuchen. Auch wenn man ein gewisses Maß an Brutalität wahrscheinlich dulden würde - und dazu gehörte sicher eine gebrochene Hand und ein zerschundener Rücken -, würde man Randalls andere Neigungen wohl nicht tolerieren. Wenn Jamie morgen früh unter dem Galgen den Mund aufmachen und Randall der Folterung und des Mißbrauches bezichtigen würde, dann würde man diese Anschuldigungen untersuchen. Und falls die Spuren an Jamies Körper sie bestätigten, dann wäre es vorbei mit Randalls Karriere, und vielleicht sogar mit seinem Leben. Aber wenn Jamie Schweigen gelobte…
    »Du gibst mir dein Wort?«
    Jamies Augen waren wie blaue Flammen in seinem eingefallenen Gesicht. Nach kurzer Überlegung nickte er langsam. »Wenn du mir deins gibst.«
    Die Anziehungskraft eines Opfers, das gleichzeitig widerwillig und gefügig war, war unwiderstehlich.
    »Abgemacht!« Das Messer entfernte sich von meiner Schulter, und ich hörte, wie das Metall in die Lederscheide glitt. Randall ging langsam an mir vorbei zum Tisch, hob den Holzhammer hoch und fragte ironisch: »Du erlaubst doch, daß ich deine Aufrichtigkeit kurz überprüfe?«
    »Aye.« Jamies Stimme war fest und ruhig wie seine Hände, die flach auf dem Tisch lagen. Ich versuchte zu sprechen, wollte protestieren, aber meine Kehle war trocken und wie zugeklebt.
    Ohne Hast lehnte Randall sich über Jamie und holte einen Nagel aus dem Korb. Er setzte die Spitze sorgfältig auf die Mitte von Jamies rechter Hand und schlug den Nagel mit vier festen Schlägen in die Tischplatte. Die gebrochenen Finger zuckten und wurden
plötzlich gerade wie die Beine einer Spinne, die an ein Brett geheftet ist.
    Jamie stöhnte auf, seine Augen waren weit aufgerissen und vollkommen leer vor Schock. Randall legte den Holzhammer vorsichtig zurück. Er nahm Jamies Kinn in die Hand. »Und jetzt küß mich«, sagte er leise und legte seine Lippen auf Jamies widerstandslosen Mund.
    Als Randall sich aufrichtete, war sein Gesicht träumerisch, der Blick weich und in die Ferne gerichtet, und um den Mund spielte ein Lächeln.

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