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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Früher einmal hatte ich genau dieses Lächeln geliebt, und der träumerische Ausdruck hatte mich erwartungsfroh gestimmt. Jetzt wurde mir übel. Tränen rannen mir in die Mundwinkel, obwohl ich nicht bemerkt hatte, daß ich angefangen hatte zu weinen. Randall stand einen Augenblick wie in Trance und schaute auf Jamie herab. Dann schien er sich an die Abmachung zu erinnern und zog das Messer noch einmal aus der Scheide.
    Die Klinge fuhr achtlos durch die Fesseln an meinen Handgelenken und schürfte dabei die Haut auf. Ich hatte kaum Zeit, meine Hände zu reiben, um die Durchblutung wieder in Gang zu bringen. Randall packte mich am Ellbogen und stieß mich zur Tür.
    »Warte!« rief Jamie hinter uns, und Randall drehte sich ungeduldig um.
    »Du erlaubt mir doch, mich zu verabschieden?« Es war mehr eine Aussage als eine Frage. Randall zögerte nur kurz, nickte und gab mir einen Stoß in Richtung Jamie, der bewegungslos am Tisch saß.
    Jamies gesunder Arm legte sich fest um meine Schultern, und ich vergrub mein nasses Gesicht an seinem Hals.
    »Du darfst nicht«, flüsterte ich. »Du darfst nicht. Ich laß dich nicht.«
    Sein Mund war warm an meinem Ohr. »Claire, morgen früh werde ich aufgehängt. Was bis dahin mit mir geschieht, ist völlig gleichgültig.«
    Ich hob den Kopf und starrte ihn an.
    »Aber mir ist es nicht gleichgültig!« Seine Lippen zitterten, fast brachte er ein Lächeln zustande, und er legte seine Hand an meine nasse Wange.
    »Ich weiß, mo duinne . Und deswegen gehst du jetzt. Dann weiß ich, daß es noch jemanden gibt, der an mich denkt.« Er zog mich
zu sich, küßte mich zart und flüsterte auf gälisch: »Er wird dich gehen lassen, weil er glaubt, daß du hilflos bist. Ich weiß, daß es nicht so ist.« Er ließ mich los und sagte auf englisch: »Ich liebe dich. Geh jetzt.«
    Randall schob mich zur Tür hinaus und sagte noch über die Schulter: »Ich bin bald wieder da.« Es war die Stimme eines Mannes, der sich ungern von seinem Geliebten trennt. Ich war nahe daran, mich zu erbrechen.
    Jamie blickte auf die Hand. »Ich vermute, du wirst mich hier antreffen.«
     
    Black Jack. Die Schurken und Spitzbuben im achtzehnten Jahrhundert hatten oft derartige Namen. Ein Name wie aus einem Abenteuerroman, der an charmante Straßenräuber denken ließ, an schneidige Burschen mit Federhut. Die Wirklichkeit ging an meiner Seite.
    Man macht sich nie klar, daß dieser Romantik Schrecken und Tragödien zugrunde liegen, die man im Lauf der Zeit verklärt hatte. Man fügte noch ein wenig Erzählkunst hinzu, und voilà! Da ist die bewegende Romanze, die das Blut in Wallung bringt und Jungfrauen seufzen läßt. Mein Blut war in der Tat in Wallung, und nie hat eine Jungfrau so geseufzt wie Jamie über seiner übel zugerichteten Hand.
    »Hier lang!« Es waren Randalls erste Worte, seit wir das Zimmer verlassen hatten. Er deutete auf eine Nische in der Mauer, die nicht von Fackeln erleuchtet war. Das war also der Geheimausgang, den er erwähnt hatte.
    Mittlerweile hatte ich mich wieder genügend in der Hand, um sprechen zu können. Ich ging ein paar Schritte zurück, so daß Licht auf mich fiel, denn er sollte sich an mein Gesicht erinnern.
    »Sie haben mich gefragt, Hauptmann, ob ich eine Hexe bin«, begann ich mit fester Stimme. »Und ich will Ihnen jetzt antworten. Ja, ich bin eine Hexe. Ich bin eine Hexe und verfluche dich. Du wirst heiraten, Capitain, und deine Frau wird ein Kind gebären, aber du wirst es nicht erleben. Ich verfluche dich, Jack Randall, ich nenne dir die Stunde deines Todes.«
    Sein Gesicht war im Schatten, aber das Flackern in seinen Augen zeigte mir, daß er mir glaubte. Und warum auch nicht? Denn ich sprach die Wahrheit. Ich sah Franks Stammbaum so deutlich vor mir, als wäre er in die alten Steinquader gemeißelt, mit Namen,
Geburts- und Todestagen. »Jonathan Wolverton Randall«, las ich mit leiser Stimme. »Geboren am 3. September 1705, gestorben am 16. April 1746.«
    Randall hatte schon eine schmale, quietschende Tür aufgerissen. Geblendet stand ich vor einer weißen Schneefläche. Ein harter Stoß ließ mich der Länge nach in den Schnee stürzen, und die Tür schlug hinter mir zu.
    Ich lag hinter dem Gefängnis in einer Art Graben, der mit irgend etwas angefüllt war, das die Schneewehen verhüllten - vermutlich der Abfall des Gefängnisses. Unter mir war etwas Hartes, vielleicht Holz. Ich schaute an der Steinmauer hoch und entdeckte etwa fünfzehn Meter über mir Rinnen, die von

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