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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und nestelte an der Brosche herum, die ihn an der Kehle zusammenhielt, während ich dem Wolf erzählte, was ich von ihm, seinen Verwandten und seinen Vorfahren hielt. Das Vieh schien an der Schmährede interessiert - es ließ die Zunge heraushängen und grinste. Er hatte es nicht eilig. Langsam kam er näher, und ich bemerkte, daß er etwas hinkte. Er war dünn und räudig. Vielleicht machte ihm das Jagen Schwierigkeiten, so daß er es vorzog, sich in der Müllgrube des Gefängnisses zu bedienen. Ich fand meine Lederhandschuhe in der Tasche des Umhangs und zog sie an. Dann wickelte ich mir den schweren Umhang mehrmals um den rechten Unterarm. »Sie gehen an die Kehle«, hatte mir Charlie beigebracht. »Sofern ihr Trainer ihnen nichts anderes befiehlt. Schau ihm immer in die Augen; du siehst genau, wann er sich entschließt zu springen. Das ist dein Augenblick.«
    In den häßlichen gelben Augen konnte ich alles mögliche sehen, unter anderem Hunger, Neugierde und Berechnung, aber noch keinen Entschluß zum Angriff.
    »Du widerliche Kreatur, wage es bloß nicht, mir an die Kehle zu springen!« Ich hatte etwas anderes vor. Mein Unterarm war mit mehreren Stofflagen lose umwickelt, so daß ich hoffen konnte, daß die Zähne nicht durchschlagen würden, und der Rest des Umhangs hing nach unten.
    Der Wolf war dünn, aber nicht ausgezehrt. Er wog ungefähr achtzig bis neunzig Pfund; weniger als ich, aber nicht so viel weniger, daß es mir einen deutlichen Vorteil verschafft hätte. Der lag eindeutig auf seiner Seite. Mit vier Beinen war es viel leichter, auf der glatten Schneedecke das Gleichgewicht zu halten. Ich hoffte, daß mir die Mauer im Rücken helfen würde.
    Ein Gefühl der Leere hinter mir zeigte an, daß ich die Ecke erreicht
hatte. Der Wolf war etwa sieben Meter entfernt. Ich scharrte etwas Schnee unter meinen Füßen weg, um fest zu stehen, und wartete.
    Ich sah nicht einmal, wie der Wolf vom Boden abhob. Ich hätte schwören können, daß ich ihm die ganze Zeit in die Augen gesehen hatte, aber wenn sich die Entscheidung zum Angriff dort gezeigt hatte, dann war sie so schnell in die Tat umgesetzt worden, daß ich es nicht hatte wahrnehmen können. Es war der Instinkt, der mich meinen Arm heben ließ, als ein weißgrauer Schatten auf mich zugeschossen kam.
    Die Zähne gruben sich mit einer Gewalt in den Stoff, daß ich Blutergüsse davontrug. Das Tier war schwerer, als ich vermutet hatte; ich war nicht auf das Gewicht vorbereitet, und mein Arm sank herunter. Ich hatte das Vieh an die Wand schleudern wollen, in der Hoffnung, es zu beträuben. Statt dessen quetschte ich den Wolf jetzt mit der Hüfte an die Steinquader. Ich versuchte, ihm den losen Umhang überzuwerfen. Seine Krallen zerrissen meinen Rock und zerkratzten mir den Schenkel. Mit dem Knie stieß ich ihm, so fest ich konnte, in die Brust, und er heulte auf. Erst in diesem Moment ging mir auf, daß das eigenartige Gewinsel von mir stammte und nicht vom Wolf.
    Merkwürdigerweise hatte ich jetzt überhaupt keine Angst mehr, ganz im Gegensatz zu vorhin, als sich der Wolf angeschlichen hatte. Ich kannte nur einen Gedanken: Entweder ich töte ihn, oder er tötet mich. Also würde ich ihn töten.
    Bei allen immensen körperlichen Anstrengungen kommt der Punkt, wo man alles auf eine Karte setzt und Energien in sich mobilisiert, von denen man vorher nichts geahnt hat, koste es, was es wolle, und die Sache ausficht. Frauen kommen beim Gebären an diesen Punkt, Männer im Kampf.
    Ist dieser Punkt überschritten, fällt alle Angst von einem ab. Das Leben wird dann ganz einfach; man erreicht sein Ziel, oder man stirbt dabei, und es spielt keine große Rolle, ob es so oder so ausgeht.
    Ich war jetzt zweifellos über diesen Punkt hinaus. Meine ganze Aufmerksamkeit war auf den Kiefer gerichtet, der meinen Unterarm eisern umklammerte, und auf den sich windenden Dämon, der an meinem Körper riß.
    Es gelang mir, seinen Kopf an die Wand zu schlagen, aber es
hatte keine große Wirkung. Ich merkte, wie meine Kräfte allmählich nachließen. Wäre der Wolf gut in Form gewesen, hätte ich keine Chance gehabt. Auch so war sie nicht groß, aber noch lebte ich. Ich stützte mich auf ihn und preßte ihn mit meinem ganzen Gewicht auf den Boden. Mit seinem Atem schlug mir ein Schwall von Aasgeruch entgegen. Er erholte sich fast sofort wieder und versuchte sich freizukämpfen, aber ich hatte die Schrecksekunde nutzen können, um meinen Arm loszumachen und ihn mit einer Hand unter

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