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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Grube und sein Leben den Toten.« Nicht so gut. Aber die nächsten Zeilen waren etwas ermutigender. »Kommt dann zu ihm ein Engel, ein Mittler, einer aus tausend, kundzutun dem Menschen, was für ihn recht ist, so wird er ihm gnädig sein und sagen: ›Erlöse ihn, daß er nicht hinunterfahre zu den Toten; ich habe ein Lösegeld gefunden. Sein Fleisch blühe wieder wie in der Jugend; und er soll wieder jung werden.‹« Und was war dieses Lösegeld, das die Seele eines Mannes erlösen und sein Leben von den Hunden erretten konnte?
    Ich schloß das Buch und meine Augen. Die Worte verschwammen und vermischten sich mit meiner Not. Tiefer Jammer ergriff mich, als ich Jamies Namen aussprach. Und doch kam eine Spur von Frieden in mir auf, und die Anspannung ließ nach, als ich wieder
und wieder sagte: »O Herr, in deine Hände befehle ich die Seele deines Dieners James.«
    Mir kam der Gedanke, daß es für Jamie vielleicht besser wäre zu sterben; er hatte gesagt, daß er sterben wollte. Ich war mir sicher, daß er bald tot wäre, wenn ich ihn sich selbst überließe. Und ich hatte keinen Zweifel, daß er das auch wußte. Sollte ich tun, was er von mir verlangte? Verflucht, nein! Verflucht, wenn ich das tue , sagte ich finster entschlossen zu dem Allerheiligsten auf dem Altar und öffnete wieder das Buch.
    Es dauerte eine Weile, bis mir bewußt wurde, daß mein Bittgesuch kein Monolog mehr war; ich merkte es erst, als mir klar wurde, daß ich gerade eine Frage beantwortet hatte, die ich selbst nicht gestellt hatte. In meinem jammervollen Dämmerzustand war etwas von mir verlangt worden, ich wußte nicht sicher, was, aber ich hatte ohne Nachdenken geantwortet: »Ja, ich will.«
    Ich hörte auf zu denken und lauschte auf die Stille. Und dann wiederholte ich tonlos die Worte: »Ja. Ja, ich will«, und mir ging durch den Kopf: Die Grundvoraussetzung für die Erlangung göttlicher Gnade ist folgende: Du mußt aus vollem Herzen zustimmen.
    Ich hatte ein Gefühl, als wäre mir ein kleiner Gegenstand übergeben worden, den ich unsichtbar in Händen hielt. Kostbar wie Opal, glatt wie Jade, schwer wie ein Flußkiesel und zerbrechlicher als ein Vogelei. Unendlich still, lebendig wie die Wurzel der Schöpfung. Kein Geschenk, sondern eine Verantwortung, etwas, das grimmig zu hegen und sanft zu schützen war. Die Worte sprachen sich wie von selbst und verschwanden im Schatten des Deckengewölbes.
    Ich verbeugte mich vor der spürbaren Präsenz und verließ die Kapelle. Ich hatte keinen Zweifel, daß ich in der Ewigkeit des Augenblicks, in dem die Zeit aufhört, eine Antwort bekommen hatte, aber ich hatte keine Ahnung, was diese Antwort war. Ich wußte nur, daß das, was ich in Händen hielt, eine menschliche Seele war, ob meine oder die eines anderen, vermochte ich nicht zu sagen.
     
    Es schien nicht gerade, als wäre mein Gebet erhört worden, denn am nächsten Morgen weckte mich ein Laienbruder und teilte mir mit, daß Jamie von hohem Fieber geschüttelt werde.
    »Seit wann ist er in diesem Zustand?« fragte ich und fühlte mit geübter Hand Stirn, Achselhöhlen und Leiste. Keine Spur von erlösendem Schweiß; nur die trockene gespannte Haut, die vor Hitze
glühte. Er war wach, aber benommen; er konnte die schweren Lider kaum offenhalten. Die Ursache des Fiebers war deutlich sichtbar. Die zerschmetterte rechte Hand war aufgedunsen, und übelriechender Eiter sickerte durch den Verband. Bedrohliche rote Streifen zogen sich das Handgelenk hinauf. Blutvergiftung, eine widerliche, eiternde, lebensbedrohliche Blutvergiftung.
    »Ich fand ihn so, als ich nach der Mette nach ihm schaute«, antwortete der Bruder, der mich geholt hatte. »Ich gab ihm Wasser, aber er erbrach sich kurz nach dem Morgengrauen.«
    »Sie hätten mich gleich holen sollen«, sagte ich. »Bringen Sie mir heißes Wasser und Himbeerblätter; Bruder Polydor soll so schnell wie möglich kommen.« Er ging mit der Beteuerung, daß er auch mir Frühstück bringen lassen würde, aber ich winkte ab und griff nach dem Zinnkrug mit Wasser.
    Bis Bruder Polydor erschien, hatte ich versucht, Jamie Wasser einzuflößen, aber ohne Erfolg, und so versuchte ich es mit äußerlichen Anwendungen, feuchtete die Leintücher an und breitete sie über den heißen Körper.
    Gleichzeitig badete ich die Hand in frisch abgekochtem Wasser, so heiß wie irgend möglich, ohne die Haut zu verbrennen. Ohne Sulfonamide oder Antibiotika war Hitze das beste Mittel gegen eine bakterielle Infektion. Der

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