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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Körper des Patienten tat, was er konnte, um durch hohes Fieber Hitze zu erzeugen, aber das Fieber war selbst eine ernste Gefahr, denn es führte zur völligen Erschöpfung und einer Schädigung der Gehirnzellen. Der Trick bestand darin, am Entzündungsherd genügend Hitze zuzuführen, um die Infektion zu zerstören, während der Rest des Körpers gekühlt wurde - ein verdammt schwieriger Balanceakt.
    Jamies Gefühlszustand war jetzt belanglos. Es ging nur um eins: ihn am Leben zu erhalten, bis die Infektion und das Fieber abgeklungen waren; alles andere war unwichtig.
    Am Nachmittag des zweiten Tages begann er zu halluzinieren. Wir banden ihn mit weichen Tüchern am Bett fest, damit er sich nicht auf den Boden warf. Als äußerstes Mittel, das Fieber zu brechen, schickte ich schließlich einen der Laienbrüder hinaus, um einen Korb voll Schnee zu holen, den wir um ihn herumpackten. Das führte zu heftigem Schüttelfrost, der ihm die letzte Energie zu rauben schien, aber vorübergehend sank das Fieber.
    Diese Behandlung mußten wir jede Stunde wiederholen. Bei Sonnenuntergang
sah das Zimmer aus wie eine Sumpflandschaft, überall standen Pfützen auf dem Boden, dazwischen lagen Haufen von nassen Leintüchern, und das Feuer in der Ecke verwandelte die Feuchtigkeit in Dampf, der wie Sumpfgas im Zimmer waberte. Bruder Polydor und ich waren ebenfalls durchnäßt von Schweiß und kaltem Schnee und trotz der Hilfe von Anselm und den Laienbrüdern nahe am Zusammenbruch. Fiebertees wie Rudbeckie, Gelbwurzel, Katzenminze und Ysop waren wirklungslos geblieben.
    In einem der immer selteneren Augenblicke, in denen er bei Verstand war, hatte Jamie mich gebeten, ihn sterben zu lassen. Ich antwortete barsch: »Verflucht, wenn ich das tue«, und machte weiter.
    Als die Sonne unterging, waren draußen im Gang Schritte zu hören. Die Tür öffnete sich, und der Abt, Jamies Onkel Alex, trat ein, begleitet von Bruder Anselm und drei Mönchen, von denen einer ein Kästchen aus Zedernholz trug. Der Abt kam zu mir und segnete mich kurz, dann nahm er meine Hand.
    »Wir geben dem Jungen jetzt die Letze Ölung«, sagte er mit tiefer, freundlicher Stimme. »Haben Sie keine Angst.«
    Er wandte sich zum Bett, und ich schaute Anselm wild an. Wollten sie ihn sterben lassen?
    Er kam an meine Seite, um die Mönche, die um das Bett herumstanden, nicht zu stören, und wiederholte flüsternd: »Die Letzte Ölung.«
    »Letzte Ölung! Aber das ist für Sterbende!«
    »Psst.« Er zog mich weiter vom Bett weg. »Vielleicht sollte man besser sagen, eine Salbung der Kranken, obwohl es gewöhnlich nur bei Menschen gemacht wird, die an der Schwelle zum Tod stehen.« Die Mönche hatten Jamie behutsam auf den Rücken gedreht und versuchten ihn so zu betten, daß er möglichst wenig Schmerzen litt.
    »Das Sakrament hat zwei Bedeutungen«, flüsterte mir Anselm ins Ohr, während die Vorbereitungen getroffen wurden. »Zum einen ist es ein Sakrament der Heilung; wir beten darum, daß die Gesundheit des Leidenden wiederhergestellt werden möge, sofern es Gottes Wille ist. Das Chrisam, das geweihte Salböl, wird als Symbol des Lebens und des Heilens angewandt.«
    »Und zum anderen?« fragte ich, obwohl ich die Antwort schon wußte.
    Anselm nickte. »Wenn es nicht Gottes Wille ist, daß er wieder
gesund wird, dann erhält er die Absolution, und wir befehlen seinen Geist in Gottes Hände und beten, daß er Frieden finden möge.« Er sah, daß ich protestieren wollte, und legte mir warnend die Hand auf den Arm.
    »Das sind die letzten Riten der Kirche. Er hat ein Anrecht darauf und auf den Frieden, den sie ihm schenken mögen.«
    Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Jamie lag auf dem Rücken, ein Tuch war ihm um die Lenden geschlungen, und am Kopf- und Fußende des Bettes wurden Kerzen angezündet, die mich höchst unangenehm an Grablichter erinnerten. Abt Alexander saß am Bett, neben ihm ein Mönch, der ein Tablett hielt, auf dem ein Ziborium und zwei kleine Silberflaschen, die Weihwasser und Chrisam enthielten, standen, und über seinem Unterarm hing ein weißes Tuch. Wie ein Weinkellner, dachte ich ärgerlich. Die ganze Prozedur war entnervend.
    Der Ritus wurde auf lateinisch vollzogen. Das leise Gemurmel wirkte beruhigend, obwohl ich es nicht verstand. Anselm flüsterte mir manchmal Erklärungen zu. An einem Punkt gab der Abt Polydor ein Zeichen, und er trat nach vorne und hielt Jamie ein Flakon unter die Nase. Es muß Ammoniak oder etwas Ähnliches gewesen sein,

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