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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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denn er zuckte zusammen und warf den Kopf zur Seite, ohne die Augen zu öffnen.
    »Warum versuchen Sie ihn aufzuwecken?« flüsterte ich.
    »Wenn möglich, soll er bei Bewußtsein sein, um seine Zustimmung zu der Aussage geben zu können, daß er die Sünden bereut, die er in seinem Leben begangen hat. Außerdem soll er die Kommunion empfangen.«
    Der Abt streichelte Jamie zart über die Wange, drehte seinen Kopf zu dem Flakon zurück und sprach ruhig mit ihm. Er war vom Latein in das breite Schottisch der Familie gefallen, und seine Stimme war weich.
    »Jamie! Jamie, mein Junge! Es ist Alex. Ich bin bei dir. Du mußt jetzt kurz aufwachen, nur kurz. Ich gebe dir jetzt die Absolution und dann das Heilige Sakrament unseres Herrn. Nimm einen kleinen Schluck, damit du antworten kannst, wenn du mußt.« Polydor hielt Jamie einen Becher an die Lippen und träufelte ihm Wasser in den Mund. Jamies Augen waren jetzt offen, noch immer schwer vom Fieber, aber immerhin war er wach.
    Der Abt machte nun weiter, er stellte die Fragen auf englisch,
aber so leise, daß ich sie kaum verstehen konnte. »Schwörst du dem Teufel ab und all seinen Taten?« »Glaubst du an die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus?« und so weiter. Auf jede Frage antwortete Jamie mit einem gehauchten »Aye«.
    Nachdem er das Sakrament empfangen hatte, sank er mit einem Seufzer zurück und schloß die Augen. Ich sah, wie sich die Rippen mit jedem Atemzug bewegten. Er war entsetzlich abgemagert. Der Abt salbte ihm Stirn, Lippen, Nase, Ohren und Augenlider. Dann machte er mit dem geweihten Öl das Kreuzzeichen über dem Herzen, auf der Innenseite der Hände und auf den Füßen. Er hob die verletzte Hand mit äußerster Vorsicht hoch, strich das Öl leicht über die Wunde und legte die Hand zurück auf Jamies Brust, unter die rote Narbe des Messerschnitts.
    Die Ölung wurde schnell und unglaublich zart vollzogen. »Abergläubische Magie«, sagte die rationale Seite meines Gehirns, aber ich war tief gerührt von der Liebe auf den Gesichtern der betenden Mönche. Jamies Augen öffneten sich noch einmal. Sie waren von tiefer Ruhe erfüllt, und auf seinem Gesicht lag zum ersten Mal, seit wir Lallybroch verlassen hatten, Frieden.
    Die Zeremonie endete mit einem kurzen lateinischen Gebet. Der Abt legte die Hand auf Jamies Kopf und sagte auf englisch: »Herr, in Deine Hände befehlen wir die Seele Deines Dieners James. Wir bitten Dich, heile ihn, wenn dies Dein Wille ist, und stärke seine Seele, daß sie Gnade finde und in ewigem Frieden ruhe.«
    »Amen«, antworteten die Mönche. Und ich auch.
     
    Bei Einbruch der Dunkelheit war der Patient wieder nahe an der Bewußtlosigkeit. Jamies Kräfte ließen immer mehr nach, und wir konnten nichts anderes mehr tun, als ihm so oft wie möglich ein paar Schluck Wasser einzuflößen, um ihn am Leben zu halten. Seine Lippen waren aufgesprungen, und er konnte nicht mehr sprechen; zwar öffnete er noch die Augen, wenn man ihn fest schüttelte, aber er erkannte uns nicht mehr; er starrte ins Leere, ließ die schweren Lider wieder sinken und drehte den Kopf stöhnend zur Seite.
    Ich stand neben dem Bett und schaute auf ihn herab. Von den Strapazen des Tages war ich so erschöpft, daß ich nur noch dumpfe Verzweiflung fühlte. Bruder Polydor berührte mich sacht.
    »Sie können jetzt nichts mehr für ihn tun«, sagte er und führte mich mit fester Hand vom Bett fort. »Sie brauchen jetzt Ruhe.«

    »Aber -«, setzte ich an, sprach jedoch nicht weiter. Er hatte recht. Wir hatten wirklich alles getan. Entweder würde das Fieber bald von selbst fallen, oder er würde sterben. Selbst der stärkste Mann konnte die verzehrende Glut des Fiebers höchstens ein oder zwei Tage aushalten, und Jamie hatte ja kaum mehr Reserven, um eine solche Attacke durchzustehen.
    »Ich bleibe bei ihm«, sagte Polydor. »Gehen Sie zu Bett. Ich werde Sie rufen, falls…« Er beendete den Satz nicht, sondern schickte mich mit einer freundlichen Geste in mein Zimmer.
    Ich lag wach auf meinem Bett und starrte an die Balkendecke. Meine Augen waren trocken und heiß, und meine Kehle schmerzte, als wäre auch bei mir ein Fieber im Anzug. War das die Antwort auf mein Gebet - daß wir hier beide zusammen sterben durften?
    Schließlich stand ich auf und nahm den Krug und die Waschschüssel vom Tisch neben der Tür. Ich stellte die schwere Steingutschüssel mitten im Zimmer auf den Boden und füllte sie vorsichtig mit Wasser, bis es sich zitternd über den Rand

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