Feuer Und Stein
daß ich ruhig dabeisaß, wie er starb.
Ich nahm das Messer vom Tisch und zog es ihm fest über die Brust, entlang der frischen Narbe. Er rang nach Luft und drückte den Rücken durch. Mit einem Handtuch rieb ich heftig über die Wunde. Dann zwang ich mich, sein Blut mit dem Finger aufzuwischen und es ihm über die Lippen zu reiben. Dann sprach ich einen Satz, den ich nicht erfinden mußte, denn ich hatte ihn selbst gehört. Ich beugte mich über ihn und flüsterte: »Und jetzt küß mich.«
Auf das, was nun kam, war ich nicht im geringsten vorbereitet. Mit einem Sprung war er aus dem Bett und schleuderte mich durchs Zimmer. Ich stolperte und fiel gegen den Tisch, auf dem die riesigen Kerzen ins Schwanken kamen. Die Schatten schossen hin und her, als die Dochte flackerten und erloschen.
Ich hatte mich an der Tischkante gestoßen, aber ich kam schnell genug auf die Beine, um noch zur Seite springen zu können, als er sich auf mich stürzen wollte. Mit dumpfem Knurren und weit ausgestreckten Händen war er hinter mir her.
Er war schneller und stärker, als ich erwartet hatte, obwohl er stolperte und sich an den Möbeln stieß. Er hatte mich zwischen dem offenen Feuer und dem Tisch in die Enge getrieben, und ich spürte seinen heißen, keuchenden Atem, als er nach mir griff. Er schlug mit der Linken nach meinem Gesicht; wären seine Reflexe und seine Kraft annähernd normal gewesen, dann hätte mich der Hieb erledigt.
Aber ich wich aus, so daß seine Faust nur noch meine Stirn streifte; aber auch das genügte, um mich auf den Boden zu werfen.
Ich kroch unter den Tisch. Als er mich packen wollte, verlor er das Gleichgewicht und fiel gegen das Kohlebecken. Glühende Kohlen prasselten auf den Steinboden. Er heulte auf, als er sich in die Glut kniete. Ich bekam ein Kissen zu fassen und schlug damit ein schwelendes Funkennnest in der herabhängenden Bettdecke aus. Damit beschäftigt, merkte ich nicht, daß er mir schon wieder hinterher war, bis mich ein harter Schlag über den Kopf niederstreckte.
Das Bettgestell kippte um, als ich mich mit einer Hand daran hochziehen wollte. Einen Augenblick fand ich dahinter Schutz und versuchte, wieder zur Besinnung zu kommen. Jamie verfolgte mich im Halbdunkel; er keuchte und stieß unzusammenhängend gälische Flüche aus. Plötzlich entdeckte er mich und warf sich über die Bettkante. Sein irrer Blick loderte in der Düsternis.
Jamies brennendheiße Hände schlossen sich um meinen Hals, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich ihn abschütteln konnte. Das wiederholte sich ein paar Dutzend Male. Jedesmal gelang es mir, mich aus dem Würgegriff zu befreien und hinter einem Möbelstück Schutz zu suchen. Aber jedesmal kam er fluchend, schluchzend, stolpernd und wild um sich schlagend hinter mir her - ein Mann, den rasende Wut dem Tod entrissen hatte.
Die im Zimmer verstreute Glut erlosch schnell und hinterließ tiefste Dunkelheit, die von Dämonen bevölkert schien. Im letzten Flackern sah ich ihn an der Wand stehen, die feurige Mähne stand ihm zu Berge, der Körper war blutbeschmiert, der Penis steif aufgerichtet vor seinem behaarten Bauch, und die Augen in dem bleichen Gesicht glühten voller Mordlust. Ein Berserker, wie die teuflischen Wikinger, die von ihren Schiffen an die neblige Küste des alten Schottlands sprangen, um zu töten und zu plündern. Männer, die noch mit dem letzten Quentchen Kraft vergewaltigten und ihren Samen in den Leib der Besiegten säten. Der üble Geruch des Opiums verstopfte mir die Lungen. Obwohl die Glut verlöscht war, sah ich farbige Lichter in der Dunkelheit tanzen.
Es fiel mir zunehmend schwerer, mich zu bewegen; es fühlte sich an, als würde ich durch tiefes Wasser waten und dabei von einem fürchterlichen Fisch verfolgt. Ich zog die Knie hoch, rannte im Zeitlupentempo und spürte, wie mir das Wasser ins Gesicht spritzte.
Ich schüttelte den Traum ab und merkte, daß mein Gesicht und meine Hände tatsächlich naß waren. Nicht Tränen, sondern Blut - und der Schweiß des Ungeheuers, mit dem ich im Dunkeln kämpfte.
Schweiß. Da gab es etwas, an das ich mich erinnern sollte, doch es wollte mir nicht einfallen. Eine Hand packte mich am Oberarm, aber ich riß mich los. Auf meiner Haut blieb ein schmieriger Film zurück. Rund herum um den Maulbeerbaum, der Affe jagt das Wiesel. Aber da stimmte etwas nicht, das Wiesel jagte mich, ein Wiesel mit scharfen weißen Zähnen, die sich in meinen Unterarm bohrten. Ich schlug nach ihm, und die
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