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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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etwas so Verlockendes gesehen. Jamie versicherte mir, er könne auch anderswo ein Lager finden. Ich fiel kopfüber auf die Decken und war eingeschlafen, bevor er den Raum verlassen hatte.

5
    Der MacKenzie
    Ich erwachte in einem Zustand gänzlicher Verwirrung. Ich besann mich vage darauf, daß etwas nicht stimmte, wußte aber nicht mehr, was. Tatsächlich hatte ich so tief geschlafen, daß ich mich einen Moment nicht daran erinnern konnte, wer ich war. Im Raum herrschte klirrende Kälte. Ich wollte mich wieder in meine Decken verkriechen, aber die Stimme, die mich geweckt hatte, wollte immer noch etwas von mir.
    »Kommen Sie, Mädchen! Sie müssen jetzt aufstehen!« Es war eine tiefe und leutselig kommandierende Stimme, dem Bellen eines Schäferhunds nicht unähnlich. Ich öffnete widerwillig ein Auge - gerade weit genug, um den Berg aus braunem Wollstoff zu sehen.
    Mistress FitzGibbons! Bei ihrem Anblick gewann ich schockier das Bewußtsein wieder. Es war also immer noch wahr.
    Zum Schutz vor Kälte wickelte ich mich in eine Decke, erhob mich taumelnd aus dem Bett und steuerte so rasch wie möglich auf das Feuer zu. Mistress FitzGibbons hatte eine Tasse heißer Brühe für mich hingestellt; ich trank sie langsam aus und fühlte mich wie die Überlebende eines schweren Luftangriffs. Derweil legte sie einen kleinen Stapel Kleider aufs Bett: ein langes gelbliches Leinenhemd, mit Spitze gesäumt, einen Unterrock aus feiner Baumwolle, zwei Röcke in Brauntönen und ein zitronengelbes Leibchen. Braungestreifte Wollstrümpfe und ein Paar gelbe Pantoffel vervollständigten das Ensemble.
    Energisch scheuchte mich die Dame aus meinen alten Sachen und überwachte, wie ich die neuen anzog. Schließlich trat sie zurück und betrachtete zufrieden ihr Werk.
    »Gelb steht Ihnen, Mädchen; das habe ich mir gedacht. Paßt gut zu Ihren braunen Haaren und hebt das Gold in Ihren Augen hervor. Moment, wir brauchen noch ein paar Bänder.« Sie stülpte eine
ihrer Taschen um wie einen Jutesack und förderte eine Handvoll blaßgelber Bänder und etwas Schmuck zutage.
    Zu erstaunt, um Widerstand zu leisten, duldete ich, daß sie mir die Haare frisierte. Sie band die seitlichen Locken nach hinten und schüttelte den Kopf über meinen unweiblichen Pagenkopf.
    »Meine Güte, was haben Sie sich dabei gedacht, die Haare so kurz zu schneiden? Haben Sie sich verkleidet? Ich habe von Mädels gehört, die sich wie Männer anziehen, wenn sie unterwegs sind, um vor den verwünschten Rotröcken sicher zu sein. Das sind ja schöne Zeiten, sage ich immer, wenn eine Dame nicht gefahrlos reisen kann!« Sie machte weiter, tätschelte mich, steckte hier eine Locke fest und glättete da eine Falte meines Gewands. Schließlich war ich zu ihrer Zufriedenheit herausgeputzt.
    »Jetzt gefallen Sie mir. Wir haben gerade noch Zeit, um einen Bissen zu essen, dann muß ich Sie zu ihm bringen.«
    »Zu wem?« fragte ich. Die Aussicht behagte mir nicht. Wer immer »er« auch sein mochte, er würde mir wahrscheinlich knifflige Fragen stellen.
    »Zum MacKenzie natürlich. Zu wem sonst?«
    Ja, zu wem sonst? Burg Leoch, daran erinnerte ich mich verschwommen, lag inmitten der Ländereien des MacKenzie-Clans. Und dessen Oberhaupt war der MacKenzie. Ich verstand allmählich, warum unser kleiner Trupp durch die Nacht geritten war, um die Burg zu erreichen; sie war für Männer, die von Leuten der Krone verfolgt wurden, eine sichere Zuflucht. Kein englischer Offizier, der auch nur einen Funken Verstand hatte, würde mit seinen Soldaten so tief ins Gebiet des Clans vordringen. Wenn er es tat, riskierte er damit sein Leben. Beim ersten Gehölz würde man ihn aus dem Hinterhalt überfallen. Nur ein stattliches Heer würde bis vor das Burgtor gelangen. Ich versuchte mich daran zu erinnern, ob die Engländer je so weit gekommen waren, als mir plötzlich aufging, daß meine unmittelbare Zukunft sehr viel wichtiger war als das, was die Vorsehung für die Burg bereithalten mochte.
    Ich hatte keinen Appetit auf die Hafermehlkuchen und die Grütze, die mir Mrs. FitzGibbons zum Frühstück gebracht hatte, zerkrümelte aber ein bißchen davon und tat so, als würde ich essen, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Als Mrs. FitzGibbons wiederkam und mich zum MacKenzie führen wollte, hatte ich mir einen provisorischen Plan zurechtgelegt.

     
    Der Burgherr empfing mich in einem Raum, zu dem man über eine steinerne Treppe gelangte. Es war ein rundes Turmzimmer, das reich mit Gemälden und

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