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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sinnend und fragte:
»Aber weshalb, Mistress Beauchamp, haben die Männer meines Bruders Sie im Hemd angetroffen? Räuber würden sich scheuen, Ihnen zu nahe zu treten, da sie im allgemeinen eher nach Lösegeld trachten. Und selbst wenn man sich einiges über Hauptmann Randall erzählt, so würde es mich doch wundern, wenn ein Offizier des englischen Heeres die Gewohnheit hätte, verirrte Damen zu schänden.«
    »Ach ja?« entgegnete ich barsch. »Nun, was immer Sie von ihm gehört haben - ich versichere Ihnen, daß er dazu imstande ist.« Ich hatte, als ich mir die Geschichte ausdachte, meine Kleidung vergessen und fragte mich, an welchem Punkt unseres Zusammentreffens Murtagh den Hauptmann und mich entdeckt hatte.
    »Gut«, sagte Colum. »Möglich wäre es. Der Mann hat gewiß einen schlechten Ruf.«
    »Möglich?« fragte ich. »Warum nur möglich? Glauben Sie mir nicht?« Denn in der Miene des Oberhaupts der MacKenzies spiegelte sich eine leise, aber unverkennbare Skepsis.
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich Ihnen nicht glaube, Mistress«, antwortete er gelassen. »Doch ich stehe seit über zwanzig Jahren einem großen Clan vor, und ich habe gelernt, nicht alles, was man mir erzählt, für bare Münze zu nehmen.«
    »Wenn Sie nicht glauben, daß ich bin, wer ich zu sein behaupte, für wen halten Sie mich dann, verdammt?« fragte ich herrisch.
    Colum verzog das Gesicht, bestürzt über meine Sprache. Dann festigten sich die scharfgeschnittenen Züge wieder.
    »Das bleibt abzuwarten«, sagte er. »Unterdessen, Mistress, sind Sie auf Leoch ein gerngesehener Gast.« Er hob die Hand, womit ich in Gnaden entlassen war.
    Colum sprach die Worte nicht aus, aber er hätte es durchaus tun können. Jedenfalls hingen sie, als ich ging, klar und deutlich in der Luft:
    Bis ich herausgefunden habe, wer Sie wirklich sind.

ZWEITER TEIL
    Burg Leoch

6
    Colums Gericht
    Der kleine Junge, den Mrs. FitzGibbons als »jungen Alec« bezeichnet hatte, holte mich zum Abendessen ab. Es fand in einem großen, schmalen Raum statt, in dem ringsum an den Wänden Tische standen. Unablässig gingen Dienstboten durch die Spitzbögen an beiden Enden des Saales ein und aus, beladen mit Tabletts und Humpen. Die Strahlen der späten Frühlingssonne fielen durch die hohen Schießscharten; Halter mit Fackeln, die angezündet werden würden, wenn die Dämmerung herabsank, säumten die Wände.
    Zwischen den Fenstern hingen Fahnen und Tartans; Plaids und Wappen aller Art sorgten für lebhafte Farbflecke. Im Gegensatz dazu waren die meisten Menschen, die sich zum Essen versammelt hatten, in Grau und Braun gekleidet oder in Jagdkilts von unauffälligem Grün.
    Als mich der junge Alec zum Ende des Raumes geleitete, spürte ich neugierige Blicke im Rücken; die Mehrheit der Esser hatte jedoch die Augen höflich niedergeschlagen. Es schien recht unzeremoniell zuzugehen; die Leute schmausten, wie es ihnen gefiel, bedienten sich vom Tablett oder gingen mit ihren Holztellern zu dem gewaltigen Kamin, wo zwei Jungen einen Hammel am Spieß drehten. Etwa vierzig Menschen saßen an den Tischen; etwa zehn bedienten. Es war laut, da alle wild durcheinanderredeten, meist auf gälisch.
    Colum hatte sich bereits an einem Tisch am Ende des Raumes niedergelassen, die verkümmerten Beine unter der eichenen Platte verborgen. Er nickte huldvoll, als ich erschien, und winkte mich an einen Platz zu seiner Linken, neben einer molligen und hübschen Rothaarigen, die er mir als seine Frau Letitia vorstellte.
    »Und das ist mein Sohn Hamish«, fuhr er fort und legte einem schönen rothaarigen Knaben von sieben oder acht Jahren die
Hand auf die Schulter. Der sah gerade lange genug vom Teller auf, um meine Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen.
    Ich schaute mir den Jungen voll Interesse an. Er sah genauso aus wie die anderen MacKenzie-Männer, denen ich bisher begegnet war - dieselben breiten Backenknochen und tiefliegenden Augen. Tatsächlich hätte er, abgesehen von der anderen Haarfarbe, eine kleinere Ausgabe seines Onkels Dougal sein können, der neben ihm saß. Die beiden halbwüchsigen, kichernden Mädchen, die neben Dougal saßen, wurden mir als seine Töchter Margaret und Eleanor vorgestellt.
    Dougal lächelte mich flüchtig, aber freundlich an, ehe er den Mädchen, die schon zugreifen wollten, eine Platte wegnahm und sie mir zuschob.
    »Habt ihr keine Manieren, Mädels?« schalt er. »Die Gäste zuerst!«
    Etwas zögernd griff ich mir den großen Hornlöffel, der an meinem Platz lag.

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