Feuer Und Stein
aber zu weiteren Umtrieben schien er durchaus imstande, sollte sich die Notwendigkeit ergeben.
Er lachte; ein überraschend tiefer, ansteckender Laut.
»So harmlos wie ein Täubchen«, bestätigte er. »Ich bin zu hungrig, um irgend etwas außer dem Frühstück gefährlich zu werden. Wenn aber ein herrenloser Hafermehlkuchen in meine Nähe kommt, kann ich für nichts mehr garantieren. Aua!«
»Entschuldigung«, murmelte ich. »Die Stichwunde geht tief, und sie ist verdreckt.«
»Schon gut.« Doch unter seinen kupferroten Bartstoppeln war
Jamie blaß geworden. Ich versuchte, ihn wieder ins Gespräch zu ziehen.
»Was genau ist Obstruktion?« fragte ich. »Ich muß sagen, nach einem Schwerverbrechen hört es sich nicht an.«
Jamie holte tief Luft und betrachtete angelegentlich den Bettpfosten, während ich fortfuhr, seine Wunde zu reinigen.
»Das legen die Engländer nach Lust und Laune fest. In meinem Fall bedeutete es, daß ich meine Familie und mein Eigentum verteidigt und fast dabei draufgegangen bin.« Jamie preßte die Lippen zusammen, als wollte er nicht mehr sagen, aber einen Moment später fuhr er fort, vielleicht, um sich von seiner Schulter abzulenken.
»Es ist fast vier Jahre her. Die Höfe in der Nähe von Fort William wurden mit einer Abgabe belegt - Proviant für die Garnison, Packpferde und dergleichen. Die Leute waren davon zwar nicht begeistert, aber die meisten traten ab, was sie abtreten mußten. Jeweils ein paar Soldaten und ein Offizier machten mit ein, zwei Karren die Runde und sammelten alles ein. Eines Tages - es war im Oktober - kam Hauptmann Randall nach L…« Jamie unterbrach sich hastig und schaute mich an. »Ich meine, zu uns.«
Ich nickte ermunternd, den Blick auf meine Arbeit gerichtet.
»Wir hatten gedacht, so weit würden sie nicht kommen; es ist ein gutes Stück vom Fort entfernt und nicht leicht zu erreichen. Aber sie kamen.«
Jamie schloß die Augen. »Mein Vater war nicht da - war bei einer Beerdigung auf dem Nachbarhof. Und ich war mit den meisten Männern auf dem Feld, denn die Ernte nahte, und es gab viel zu tun. Meine Schwester war mit zwei, drei Mägden allein im Haus, und sie eilten nach oben, um sich unterm Bett zu verstekken, als sie die Rotröcke sahen. Dachten, die hätte der Teufel geschickt - und damit hatten sie gar nicht so unrecht.«
Ich legte den Waschlappen aus der Hand. Das Unangenehmste war erledigt; jetzt brauchten wir nur noch eine Breipackung - da mir weder Jod noch Penizillin zur Verfügung standen, war es das Beste, was ich gegen eine Infektion tun konnte - und einen straffen Verband. Der junge Mann hatte die Augen immer noch geschlossen und schien nichts von alledem zu bemerken.
»Ich kam von hinten zum Haus, wollte ein Stück Pferdegeschirr aus der Scheune holen und hörte meine Schwester drinnen schreien.«
»Ja?« Ich bemühte mich, meine Stimme so ruhig und unaufdringlich
klingen zu lassen wie nur möglich. Ich wollte mehr über Hauptmann Randall erfahren; bislang bot die Geschichte wenig Anlaß, meinen ersten Eindruck von ihm zu revidieren.
»Ich trat durch die Küche ins Haus und traf zwei Soldaten dabei an, wie sie die Speisekammer plünderten. Dem einen habe ich eins auf den Schädel gegeben, den anderen aus dem Fenster geworfen. Dann ging ich in die Wohnstube, wo ich zwei weitere Rotröcke bei meiner Schwester Jenny fand. Ihr Kleid war ein wenig zerrissen, und einer von den beiden hatte ein zerkratzes Gesicht.«
Jamie öffnete die Augen und lächelte grimmig. »Ich habe mich nicht damit aufgehalten, Fragen zu stellen. Es ging gleich ziemlich hoch her, und dafür, daß es zwei waren, habe ich mich nicht schlecht geschlagen. Bis Randall kam.«
Randall hatte die Prügelei damit beendet, daß er Jenny eine Pistole an die Schläfe hielt. Jamie war von den beiden Soldaten gepackt und gefesselt worden. Randall hatte seinen Gefangenen charmant angelächelt und gesagt: »Ja, was haben wir denn da für hitzige Wildkatzen? Ich denke, ein wenig Zwangsarbeit wird dich von deinem Jähzorn kurieren, und wenn nicht, dann wirst du eine andere Katze kennenlernen, eine neunschwänzige. Für andere Katzen dagegen gibt es andere Mittel, nicht wahr, mein Liebchen?«
Jamie unterbrach sich einen Moment; er knirschte mit den Zähnen. »Er hatte Jenny den Arm auf den Rücken gedreht, aber nun ließ er los und langte ihr in den Ausschnitt.« Jamie lächelte plötzlich. »Und Jenny«, fuhr er fort, »stampfte auf seinen Fuß und rammte ihm den Ellbogen in
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