Feuer Und Stein
Geschichte
in Widersprüche zu verwickeln. Nun, wir würden sehen, wie wirkungsvoll das war.
»Richtig. Ich bin angegriffen worden.«
Colum nickte lebhaft. »Aye? Von wem?«
Sag die Wahrheit. »Von englischen Soldaten. Insbesondere von einem gewissen Randall.«
Bei diesem Namen verzog Colum sein aristokratisches Gesicht. Offensichtlich war ihm der Name bekannt. Das Oberhaupt der MacKenzies lehnte sich ein wenig zurück, legte die Finger aneinander und betrachtete mich eindringlich.
»Ach?« sagte er. »Erzählen Sie weiter.«
Und so, Gott steh mir bei, erzählte ich weiter. Ich berichtete in aller Ausführlichkeit von dem Kampf zwischen den Schotten und Randalls Leuten, denn dies würde Colum durch Rückfrage bei Dougal überprüfen können. Ich berichtete das Wichtigste von meinem Gespräch mit Randall, da ich nicht wußte, wieviel Murtagh mitgehört hatte.
Colum achtete auf jedes Wort.
»Aber wie«, fragte er, »sind Sie an diesen Ort geraten? Er liegt weit ab von der Straße nach Inverness, wo Sie sich einschiffen wollten, vermute ich.« Ich nickte und holte tief Luft.
Jetzt betraten wir notgedrungen das Reich der Phantasie. Ich wünschte mir, ich hätte Franks Ausführungen über Straßenräuber aufmerksamer gelauscht; nun würde ich eben auch so mein Bestes tun müssen. Ich stammte aus Oxfordshire, sagte ich, sei verwitwet (was gewissermaßen der Wahrheit entsprach) und mit einem Diener auf dem Weg zu entfernten Verwandten in Frankreich gewesen (das schien mir entlegen genug, um sicher zu sein). Räuber hätten uns überfallen, und mein Diener sei getötet worden oder geflohen. Ich sei auf meinem Pferd in den Wald gesprengt, doch in einiger Entfernung von der Straße gestellt worden. Zwar sei es mir gelungen, den Räubern zu entkommen, aber ich hätte wohl oder übel mein Pferd samt aller Habe zurücklassen müssen. Und während ich durch den Wald geirrt sei, sei ich an Hauptmann Randall und dessen Leute geraten.
Ich lehnte mich ein wenig zurück, recht zufrieden mit meiner Geschichte. Einfach, stimmig, in allen überprüfbaren Einzelheiten wahr. Colums Miene drückte nicht mehr als höfliches Interesse aus. Er öffnete den Mund, um mir eine Frage zu stellen, als ein leises
Geräusch von der Tür kam. Ein Mann - ich hatte ihn schon bei unserer Ankunft auf dem Burghof gesehen - stand dort, mit einem Lederkästchen in der Hand.
Das Oberhaupt des MacKenzie-Clans entschuldigte sich formvollendet, versicherte mir, er werde bald zurück sein, um unser fesselndes Gespräch fortzusetzen, und überließ mich der Betrachtung der Vögel.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als ich auch schon beim Regal war und mit den Fingern über die Lederrücken der Bücher fuhr. Hier standen vielleicht zwei Dutzend; an der Wand gegenüber waren es mehr. In fliegender Hast schlug ich die Titelseite eines jeden Bandes auf. In manchen fand sich keine Jahreszahl; die anderen waren zwischen 1720 und 1742 veröffentlicht worden. Colum MacKenzie schien zwar Wert auf Luxus zu legen, doch der Rest des Zimmers lieferte keinen Hinweis darauf, daß er Antiquitäten sammelte. Die Bucheinbände waren neu, und die Seiten hatten weder Risse noch Stockflecken.
Ich vergaß meine Skrupel, durchwühlte schamlos den Schreibtisch aus Ölbaumholz und spitzte die Ohren, damit ich ihn zurückkommen hörte.
Ich fand das, wonach ich wohl gesucht hatte, schließlich in der mittleren Schublade. Einen halbvollendeten Brief, mit flüssiger Schrift geschrieben, die durch die exzentrische Orthographie und das beinahe vollständige Fehlen von Satzzeichen nicht unbedingt leserlicher wurde. Das Papier war frisch und rein, die Tinte tiefschwarz. Das Datum am oberen Rand der Seite sprang mich an wie eine Flammenschrift: 20ster April 1743.
Als Colum ein paar Minuten später zurückkehrte, saß ich am Fenster und hatte die Hände züchtig gefaltet und in den Schoß gelegt. Ich saß, weil mich meine Füße nicht mehr trugen. Und ich hatte die Hände gefaltet, um das Zittern zu verbergen, das es mir schwierig gemacht hatte, den Brief an seinen Platz zurückzulegen.
Colum hatte die kleine Stärkung selbst mitgebracht: ein Tablett mit zwei Krügen Bier und mit Honig bestrichenen Haferbrötchen. Ich knabberte nur maßvoll an ihnen; mir hatte es den Appetit gründlich verdorben.
Nachdem er sich kurz für seine Abwesenheit entschuldigt hatte, äußerte Colum sein Bedauern über mein trauriges Mißgeschick. Dann lehnte er sich zurück, betrachtete mich
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