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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gobelins geschmückt war. Während der Rest der Burg einigermaßen behaglich, wenn auch ziemlich kahl zu sein schien, herrschte in diesem Raum luxuriöse Fülle; er war mit Möbeln vollgestopft, mit Ornamenten überladen und von einem Feuer und Kerzen erhellt, die sich warm abhoben von dem Nieselregen draußen. Die Außenmauern der Burg wiesen nur Schießscharten auf, aber hier war die Innenwand vor kurzem mit Flügelfenstern versehen worden, die das spärliche Tageslicht hereinließen.
    Beim Eintreten fiel mein Blick sofort auf einen riesigen Metallkäfig, der geschickt in die Mauer eingebaut war und Dutzenden von Finken, Ammern, Meisen und Waldsängern Platz gewährte. Als ich mich näherte, sah ich wohlgenährte, glatte, kleine Körper mit perlenhellen Augen; wie Edelsteine prangten sie vor einem samtig grünen Hintergrund, und pfeilschnell schossen sie zwischen den sorgfältig gehegten Eichen, Ulmen und Kastanien hin und her, die in Kübeln auf dem Boden des Käfigs standen. Das muntere Zwitschern war von Flügelschwirren und Blätterrascheln durchsetzt, so eifrig flatterten und hopsten sie herum.
    »Geschäftige kleine Gesellen, nicht wahr?« fragte eine tiefe, angenehme Stimme hinter mir, und ich drehte mich mit einem Lächeln um, das im Nu gefror.
    Colum MacKenzie hatte die gleiche hohe Stirn wie sein Bruder Dougal, wenn auch die Kraft, die Dougal etwas Einschüchterndes verlieh, bei ihm, obwohl nicht weniger vital, milder und freundlicher wirkte. Er war dunkler als Dougal und hatte taubengraue statt haselnußbraune Augen. Er rief jedoch denselben Eindruck von Intensität hervor - als stünde er näher bei einem, als einem lieb war. Im Moment rührte mein Unbehagen allerdings vor etwas anderem her: Der wohlgeformte Kopf und der lange Oberkörper wurden von erschreckend krummen und kurzen Beinen getragen. Der Mann, der mindestens einen Meter achtzig hätte messen müssen, reichte mir kaum bis zur Schulter.
    Er betrachtete die Vögel und gewährte mir taktvoll den Moment, den ich dringend brauchte, um die Kontrolle über meine Gesichtszüge wiederzugewinnen. Gewiß war er die Reaktion von Menschen gewohnt, die ihn zum ersten Mal sahen. Während ich
mich im Raum umschaute, fragte ich mich, wie oft er neuen Leuten begegnete. Dieses Zimmer war offenkundig ein Refugium, das selbstgeschaffene Reich eines Mannes, für den die Außenwelt unangenehm oder unerreichbar war.
    »Ich begrüße Sie, Mistress«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Mein Name ist Colum ban Campbell MacKenzie, und ich bin der Herr dieser Burg. Mein Bruder berichtet mir, daß er Ihnen in einiger Entfernung von hier, äh, begegnet ist.«
    »Er hat mich entführt, wenn Sie’s genau wissen wollen«, sagte ich. Ich hätte das Gespräch gern höflich gehalten, aber noch dringender wünschte ich mir, diese Burg zu verlassen und auf den Berg mit dem Steinkreis zurückzukehren. Was immer mit mir geschehen war - wenn es eine Antwort gab, dann war sie dort zu finden.
    Die dichten Brauen des Burgherrn hoben sich, und ein Lächeln kräuselte seine feingeschnittenen Lippen.
    »Vielleicht«, sagte er. »Dougal ist manchmal ein bißchen … ungestüm.«
    »Nun gut.« Ich winkte ab und gab damit huldvoll zu verstehen, daß ich bereit war, die Angelegenheit zu vergessen. »Ich will wohl glauben, daß es möglicherweise zu einem Mißverständnis gekommen ist. Trotzdem wäre ich sehr dankbar, wenn ich zu dem Ort zurückgebracht werden könnte, an dem er mich … aufgefunden hat.«
    »Hm.« Die Brauen immer noch hochgezogen, deutete Colum auf einen Sessel. Ich setzte mich widerwillig, und Colum nickte einem der Bedienten zu, der durch die Tür verschwand.
    »Ich lasse eine kleine Stärkung bringen, Mistress … Beauchamp, nicht wahr? Wie ich höre, haben mein Bruder und seine Leute Sie in… äh, Nöten angetroffen.« Colum schien ein Lächeln zu verbergen, und ich fragte mich, was man ihm über meinen vermeintlich kaum bekleideten Zustand erzählt hatte.
    Ich holte tief Atem. Es wurde Zeit für die Erklärung, die ich mir ausgedacht hatte. Ich hatte mich daran erinnert, daß Frank mir während seiner Ausbildung zum Offizier von einem Kurs berichtet hatte, bei dem es darum ging, wie man einem Verhör standhielt. Das Grundprinzip war, so nahe wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben und nur diejenigen Einzelheiten zu ändern, die nicht verraten werden durften. Dann, so Franks Ausbilder, sei die Gefahr nicht so groß, sich bei den unbedeutenderen Aspekten der

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