Feuer Und Stein
den Bauch. Und als er sich würgend bückte, wirbelte sie herum und stieß ihm das Knie ins Gemächte.« Jamie schnaubte erheitert.
»Da ließ Randall die Pistole fallen, und Jenny wollte zugreifen, aber einer der Dragoner, die mich festhielten, kam ihr zuvor.«
Ich war fertig mit dem Verband und stand still hinter Jamie, eine Hand auf seiner gesunden Schulter.
»Als er wieder soweit bei Atem war, daß er sprechen konnte, befahl Randall seinen Leuten, uns aus dem Haus zu schleifen. Sie zogen mir das Hemd aus, banden mich an die Deichsel ihres Karrens, und Randall schlug mir mit der flachen Seite seines Säbels auf den Rücken. Er war rasend vor Zorn, aber etwas geschwächt, könnte man sagen. Es hat ein bißchen gebrannt, nur hielt er’s nicht lange durch.«
Seine Heiterkeit hatte sich verflüchtigt, und die Schulter unter meiner Hand war hart vor Anspannung. »Als er aufgehört hatte, wandte er sich Jenny zu - einer der Dragoner hatte sie gepackt - und fragte sie, ob sie noch mehr sehen oder lieber mit ihm ins Haus gehen und ihm bessere Unterhaltung bieten wollte.« Die Schulter zuckte nervös.
»Ich konnte mich kaum bewegen, aber ich rief ihr zu, ich sei unverletzt und sie sollte nicht mit ihm gehen, auch wenn sie mir vor ihren Augen die Kehle durchschnitten.
Sie hielten sie hinter mir fest, so daß ich nichts sah, aber dem Geräusch nach zu schließen, spie sie Randall ins Gesicht. Ja, das muß sie getan haben, denn gleich darauf packte er mich bei den Haaren, zog meinen Kopf zurück und setzte mir seinen Dolch an die Kehle.«
»Ich hätte nicht übel Lust, deinem Vorschlag zu folgen«, hatte Randall mit zusammengebissenen Zähnen gesagt und mit der Dolchspitze die Haut geritzt - gerade so tief, daß Blut kam.
»Ich sah den Dolch vor meinem Gesicht«, fuhr Jamie fort, »und ich sah meine Blutstropfen im Staub unter dem Karren.« Sein Ton war fast träumerisch, und ich merkte, daß er vor Müdigkeit in eine Art Trance geraten war.
»Ich wollte rufen, wollte meiner Schwester sagen, ich würde lieber sterben, als daß sie sich von solchem Abschaum entehren ließe. Aber Randall nahm den Dolch von meiner Kehle und schob mir die Klinge zwischen die Zähne, so daß ich nicht rufen konnte.« Jamie fuhr sich über den Mund, als ob er noch immer den bitteren Stahl schmeckte. Er verstummte und starrte geradeaus.
»Und was geschah dann?« Ich hätte vielleicht nichts sagen sollen, aber ich mußte es einfach wissen.
Er schüttelte sich wie jemand, der aus dem Schlaf hochschreckt, und rieb sich mit seiner großen Hand das Genick.
»Jenny ging mit ihm«, sagte er unvermittelt. »Sie glaubte, daß er mich sonst töten würde, und vielleicht hatte sie recht. Was dann geschah, weiß ich nicht. Einer der Dragoner schlug mir den Schaft seiner Muskete über den Schädel. Als ich wieder zu mir kam, saß ich gefesselt auf dem Karren bei den Hühnern und holperte die Straße entlang, auf Fort William zu.«
»Ich verstehe«, sagte ich ruhig. »Es tut mir leid. Das muß schrecklich für dich gewesen sein.«
Jamie lächelte plötzlich; seine Müdigkeit hatte sich verflüchtigt. »O ja. Hühner sind eine erbärmliche Gesellschaft, besonders auf einer so langen Fahrt.« Da er merkte, daß ich mit dem Verband fertig war, zog er versuchsweise die Schulter hoch und zuckte zusammen.
»Laß das!« sagte ich besorgt. »Du darfst die Schulter wirklich nicht bewegen.« Ich schaute auf den Tisch, um mich zu vergewissern, ob noch ein paar trockene Leinenstreifen übrig waren. »Ich werde den Arm an deiner Seite festbinden. Halt still.«
Er sagte nichts mehr, aber er entspannte sich ein wenig, als er merkte, daß es nicht weh tun würde. Ich empfand eine seltsame Vertrautheit mit diesem jungen Fremden, was teils an der furchtbaren Geschichte lag, die er mir gerade erzählt hatte, und teils an unserem langen gemeinsamen Ritt durch die Dunkelheit. Ich habe, außer mit Frank, nur mit wenigen Männern geschlafen, aber ich hatte schon früher die Erfahrung gemacht, daß ein Gefühl tiefer Vertrautheit entsteht, wenn man mit jemandem schläft, tatsächlich nur schläft - es ist, als strömten die Träume aus einem heraus und mischten sich mit denen des anderen und hüllten einen in eine Decke heimlicher Verbundenheit. Eine Art Atavismus, dachte ich. In älteren, primitiveren Zeiten ( Wie dieser? fragte ein Teil meiner selbst) war es ein Vertrauensbeweis gewesen, in Gegenwart eines anderen Menschen zu schlafen. Wenn das Vertrauen auf
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