Feuer Und Stein
Gegenseitigkeit beruhte, konnte der Schlaf größere Nähe hervorrufen als die Vereinigung der Körper.
Nachdem ich den Arm festgebunden hatte, half ich Jamie in das grobe Leinenhemd. Er stand auf, um es in seinen Kilt zu stecken, und lächelte auf mich herab.
»Ich danke dir, Claire. Du hast heilende Hände.« Er streckte die Hand aus, als wollte er mein Gesicht berühren, aber dann schien er es sich anders zu überlegen; er zögerte und ließ die Hand sinken. Offenbar hatte auch er diese seltsame Vertrautheit gespürt. Ich schaute hastig weg und tat das Ganze leichthin mit einem Fingerschnippen ab.
Mein Blick wanderte durch den Raum, nahm den rauchgeschwärzten Kamin, die schmalen, unverglasten Fenster und die schweren Eichenmöbel wahr. Keine Stromkabel. Kein Teppich.
Es sah tatsächlich aus wie in einer Burg im achtzehnten Jahrhundert. Und wie stand es mit Frank?
Wenn ich im achtzehnten Jahrhundert gelandet war, wo war dann er? Was würde er tun, wenn ich nicht zu Mrs. Baird zurückkam? Würde ich ihn je wiedersehen? Der Gedanke an Frank machte alles vollends unerträglich. Seit ich durch den gespaltenen Stein getreten war und das normale Leben hinter mir gelassen hatte, war ich belästigt, bedroht, entführt und grob behandelt worden. Ich hatte die letzten vierundzwanzig Stunden weder richtig gegessen noch richtig geschlafen. Ich versuchte, mich zu beherrschen, doch meine Unterlippe bebte, und meine Augen füllten sich mit Tränen.
Ich drehte mich zum Feuer, damit Jamie mein Gesicht nicht sah, aber es war zu spät. Er nahm meine Hand und fragte mit freundlicher Stimme, was los sei. Der Feuerschein ließ meinen goldenen Ehering aufblinken, und ich begann zu schniefen.
»Oh, ich … es geht mir gleich wieder gut, es ist schon in Ordnung, nur … mein Mann… ich -«
»Ach, Mädel, dann bist du verwitwet?« Jamies Stimme war so voller Sorge und Mitgefühl, daß ich die Selbstbeherrschung verlor.
»Nein… doch… ich meine, ich weiß nicht… ja, ich glaube schon!« Von Müdigkeit und Kummer überwältigt, sank ich schluchzend gegen Jamie.
Er war sehr nett. Statt nach Hilfe zu rufen oder sich verwirrt zurückzuziehen, setzte er sich hin, nahm mich auf den Schoß und wiegte mich sanft, flüsterte mir leise gälische Worte ins Ohr und strich mir mit der freien Hand über die Haare. Ich weinte bitterlich, überließ mich eine Weile meiner Angst und Verzweiflung, aber während Jamie mir den Nacken und den Rücken streichelte und mir den Trost seiner breiten warmen Brust bot, begann ich mich zu beruhigen. Das Schluchzen ließ nach, mir wurde leichter ums Herz, und ich lehnte mich müde gegen seine Schulter. Kein Wunder, daß er so gut mit Pferden zurechtkam, dachte ich trübselig, während ich spürte, wie er mich behutsam hinter den Ohren rieb. Wenn ich ein Pferd wäre, ließe ich ihn überallhin mit mir reiten.
Dieser absurde Gedanke fiel leider mit der Erkenntnis zusammen, daß der junge Mann doch nicht völlig erschöpft war. Es wurde uns beiden peinlich bewußt. Ich hustete und räusperte mich und wischte mir mit dem Ärmel über die Augen. Dann glitt ich von seinem Schoß.
»Es tut mir leid … das heißt, ich meine, danke für… aber ich …«, plapperte ich und wich mit flammendem Gesicht zurück.
Auch er war ein wenig errötet, aber nicht verlegen. Er griff nach meiner Hand. Sorgsam darauf bedacht, mich ansonsten nicht zu berühren, legte er mir die Hand unter das Kinn und hob es empor, so daß ich ihm in die Augen schauen mußte.
»Brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte er sanft. »Vor niemandem, solange ich bei dir bin.« Er ließ mich los und wandte sich dem Feuer zu.
»Du mußt etwas essen, Mädel«, fuhr er sachlich fort. »Das wird mehr helfen als alles andere.« Ich lachte über seinen Versuch, einhändig Brühe einzugießen, und tat es an seiner Stelle. Er hatte recht; das Essen half. In freundlichem Schweigen tranken wir Brühe und kauten Brot und genossen das behagliche Gefühl, es warm zu haben und satt zu werden.
Schließlich stand Jamie auf und hob die Decke vom Boden, die ihm von den Schultern gerutscht war. Er legte sie wieder aufs Bett und winkte mir. »Schlaf eine Weile, Claire. Du bist müde, und wahrscheinlich wird bald jemand mit dir reden wollen.«
Das rief mir meine unangenehme Situation ins Gedächtnis, aber ich war so müde, daß ich mir deswegen nicht allzu viele Sorgen machte. Ich protestierte nur der Form halber dagegen, das Bett zu nehmen; noch nie hatte ich
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