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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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habe ich gearbeitet und mich dann auf ein Bündel Heu gesetzt, um vor dem Nachtmahl noch ein wenig zu verschnaufen.« Er lachte. »Als ich heute morgen aufgewacht bin, saß ich immer noch da, und ein Pferd hat an meinem Ohr geknabbert.«
    Ich fand, daß ihm der Schlaf gutgetan hatte; seine blauen Flekken schillerten zwar dunkel, doch ansonsten hatte seine Haut eine gesunde Farbe, und sein Appetit ließ ganz sicher nichts zu wünschen übrig.
    Ich beobachtete, wie er den Rest des Mahls verdrückte. Dann entfernte er mit angefeuchteter Fingerspitze die Krümel von seinem Hemd und schob sie sich in den Mund.
    »Du hast einen gesegneten Appetit!« lachte ich. »Ich glaube, wenn sonst nichts da wäre, würdest du auch Gras essen.«
    »Das habe ich schon getan«, sagte Jamie ganz ernsthaft. »Es schmeckt nicht schlecht, aber es macht nicht besonders satt.«
    Ich war verblüfft; dann dachte ich, er wollte mich aufziehen. »Wann?« fragte ich.
    »Vorletzten Winter. Ich habe unter freiem Himmel gelebt - im Wald, meine ich -, zusammen mit… ein paar Leuten. Wir haben Überfälle jenseits der Grenze gemacht. Hatten über eine Woche nichts als Pech gehabt und kaum noch was zu beißen. Dann und wann bekamen wir Haferbrei von einem Kätner, aber die Leute
sind selber so arm, daß sie nur selten etwas übrig haben. Trotzdem finden sie für Fremde immer eine Kleinigkeit, nur sind zwanzig Fremde auf einmal ein bißchen viel, sogar für einen gastfreundlichen Hochländer.«
    Jamie griff nach einem langhalmigen Gras, zog es heraus und rollte es bedächtig zwischen den Handflächen.
    »Der Winter damals kam spät und war mild - ein Glück, denn sonst hätten wir nicht durchgehalten. Gewöhnlich konnten wir ein paar Kaninchen fangen, aßen sie manchmal roh, wenn es zu gefährlich war, Feuer zu machen, und dann und wann erwischten wir ein Reh, aber zu der Zeit, von der ich spreche, hatten wir eine Weile kein Wild mehr gesehen.«
    Er biß mit seinen ebenmäßigen weißen Zähnen auf den Grasstengel. Ich pflückte mir selbst einen und knabberte daran. Es schmeckte süß, aber kaum drei Zentimeter des Halmes waren zart genug, um genießbar zu sein.
    Jamie warf den halbgegessenen Stengel weg, pflückte einen neuen und fuhr mit seiner Geschichte fort.
    »Ein paar Tage zuvor war Schnee gefallen; unter den Bäumen lag nicht mehr als eine dünne Schicht, und sonst war überall Matsch. Ich suchte Pilze, die großen orangefarbenen Knollen, die manchmal ganz unten am Baum wachsen. Ich steckte den Fuß durch den verharschten Schnee und stieß auf einen Flecken Gras, das an einer freien Stelle zwischen den Bäumen wuchs. Gewöhnlich finden die Rehe diese Flecken. Sie scharren den Schnee fort und fressen das Gras bis auf die Wurzeln ab. Ich dachte mir, wenn die Rehe damit den Winter überstehen, warum dann nicht auch ich? Ich war so hungrig, daß ich meine Stiefel gesotten und gegessen hätte, wenn ich sie nicht zum Gehen gebraucht hätte, und so habe ich halt das Gras gefuttert - bis auf die Wurzeln.«
    »Wie lange hattest du da nichts mehr gegessen?« fragte ich in fasziniertem Entsetzen.
    »Drei Tage lang gar nichts, und eine Woche nicht viel mehr als ein bißchen Haferbrei. Aye«, fuhr Jamie fort und betrachtete, in Erinnerungen versunken, den Stengel in seiner Hand, »Wintergras ist hart, und es ist sauer - anders als das hier -, aber darauf habe ich kaum geachtet.« Er grinste mich plötzlich an.
    »Ich habe auch nicht bedacht, daß ein Reh vier Mägen hat und ich bloß einen. Ich bekam entsetzliche Krämpfe und hatte tagelang
Blähungen. Einer von den älteren Männern sagte mir später, daß man Gras erst kocht, wenn man welches essen muß, aber das wußte ich damals nicht. Hätte auch nichts geändert; ich war zu hungrig, um zu warten.« Jamie erhob sich und half mir auf die Beine.
    »Dann werde ich wieder an die Arbeit gehen. Ich danke dir für das Essen, Mädel.« Er reichte mir den Korb und steuerte auf den Stall zu; die Sonne schimmerte in seinen Haaren wie auf Gold- und Kupfermünzen.
    Ich lief ohne Eile zur Burg zurück. Erst als ich wieder im Hof war, fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, nach Jamies Schulter zu sehen.

7
    Davie Beatons Kammer
    Zu meiner Überraschung wurde ich, als ich auf die Burg zurückkehrte, in der Nähe des Tores von einem von Colums kilttragenden Kriegern erwartet. Der MacKenzie, so sagte er, wäre mir sehr verbunden, wenn ich ihn in seinem Gemach aufsuchen wollte.
    Die hohen Flügelfenster im Allerheiligsten

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