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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einfach ziehen lassen, geschweige denn mich mit Transport- und sonstigen Mitteln versehen, damit ich abreisen konnte.
    Ich hatte schon mehrmals versucht, über all die Dinge nachzudenken, die geschehen waren, seit ich durch den gespaltenen Stein gekommen war. Aber die Ereignisse überstürzten sich dermaßen, daß ich kaum einen Moment für mich hatte.
    Jetzt hatte ich anscheinend einen. Ich zog die staubige Truhe ein wenig vor und setzte mich darauf. Ich drückte die Handflächen gegen die massiven Mauern und dachte über den Steinkreis nach. Ich versuchte, mich auf jede Einzelheit zu besinnen.
    Die schreienden Steine waren das letzte, an das ich mich wirklich erinnerte. Und selbst da hatte ich meine Zweifel. Das Geschrei hatte die ganze Zeit angedauert. Es war möglich, dachte ich, daß es gar nicht von den Steinen selbst kam, sondern von dem, in das ich eingetreten war, was auch immer das sein mochte. Waren die Steine also eine Art Tür? Und wohin öffnete sie sich? Es gab keine Worte dafür. Es war ein Riß in der Zeit, nahm ich an, denn ich hatte damals existiert und ich existierte jetzt, und die Steine waren die einzige Verbindung.
    Und die Geräusche. Sie waren ohrenbetäubend gewesen, aber rückblickend dachte ich, sie hatten wie Schlachtenlärm geklungen. Das Lazarett, in dem ich gearbeitet hatte, war dreimal angegriffen worden. Obwohl alle Ärzte, Schwestern und Sanitäter wußten, daß
die dünnen Wände unserer provisorischen Bauten keinen Schutz bieten würden, waren sie beim ersten Alarm nach drinnen gerannt und hatten sich aneinandergedrängt, um Mut zu fassen. Mut ist Mangelware, wenn ringsumher Granaten einschlagen und Bomben explodieren. Und die Panik, die mich damals ergriffen hatte, kam dem, was ich in dem Stein empfunden hatte, noch am nächsten.
    Ich merkte, daß ich mich tatsächlich an einiges im Zusammenhang mit der Reise durch den Stein erinnerte. Kleine Dinge. An das Gefühl, gegen etwas anzukämpfen, als wäre ich in einer Strömung gefangen. Ja, ich hatte mich gewehrt. In der Strömung gab es auch Bilder. Keine Erscheinungen, eher unvollständige Gedanken. Einige waren entsetzlich, und ich hatte mich von ihnen gewaltsam befreit, als ich… »hinüberging«. Hatte ich mich auf andere Gedanken zubewegt? Doch, mir war, als hätte ich mich zu irgendeiner Oberfläche durchgekämpft. Hatte ich mich dafür entschieden , gerade in diese Zeit zu gelangen, weil sie Zuflucht vor der wirbelnden Strömung bot?
    Ich schüttelte den Kopf. Auch wenn ich noch so angestrengt nachdachte - ich fand keine Antwort. Nichts war klar außer der Tatsache, daß ich zu dem Steinkreis zurückkehren mußte.
    »Mistress?« Eine weiche, schottische Stimme ertönte von der Tür, und ich blickte auf. Zwei Mädchen, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, warteten schüchtern auf dem Flur. Sie hatten Holzpantinen an den Füßen und handgewebte Kopftücher umgebunden. Die eine trug eine Wurzelbürste und mehrere zusammengefaltete Lappen, ihre Gefährtin hielt einen dampfenden Eimer in der Hand.
    »Wir stören Sie doch nicht, Mistress?« fragte die eine bang.
    »Nein, nein«, versicherte ich. »Ich wollte ohnehin gerade gehen.«
    »Sie waren nicht beim Mittagessen«, sagte die andere. »Aber Mrs. FitzGibbons läßt Ihnen ausrichten, daß noch genug für Sie da ist, wenn Sie in die Küche kommen.«
    Ich blickte durch das Fenster am Ende des Flures. Die Sonne hatte den Zenit überschritten, und ich merkte, daß mir schwach vor Hunger war. Ich lächelte die Mädchen an.
    »Ja, das werde ich tun. Vielen Dank.«
     
    Ich brachte das Mittagessen wieder auf die Weide, weil ich befürchtete, Jamie werde sonst bis zum Abend nichts in den Magen
bekommen. Ich saß im Gras, beobachtete ihn beim Schmausen und fragte, warum er unter freiem Himmel gelebt und jenseits der Grenze Überfälle gemacht hatte. Inzwischen hatte ich genug von den Leuten aus dem nahe gelegenen Dorf und den Burgbewohnern gesehen, um sagen zu können, daß Jamie sowohl höher geboren als auch wesentlich gebildeter war als die meisten. Aufgrund der kurzen Beschreibung, die er mir von seinem Hof gegeben hatte, schloß ich, daß er aus einer recht wohlhabenden Familie kam. Warum war er so weit fort von zu Hause?
    »Weil ich ein Geächteter bin«, sagte Jamie, als überraschte es ihn, daß ich das nicht wußte. »Die Engländer haben eine Belohnung von zehn Pfund Sterling auf meinen Kopf ausgesetzt.«
    »Nur für Obstruktion?« fragte ich ungläubig. Zehn Pfund Sterling

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