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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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rechten Dickschädel, findet meine Schwester.« Wir lachten.
    »Wie ist es passiert?« erkundigte ich mich. Jamie runzelte die Stirn und wirkte plötzlich unsicher.
    »Das ist die Frage«, erwiderte er langsam. »Ich kann mich nämlich an nichts erinnern. War in der Nähe des Carryarick-Passes mit ein paar Leuten vom Loch Laggan. Das letzte, was ich weiß, ist, daß ich durch ein Wäldchen bergauf stieg. Ich riß mir die Hand an einem Ilexstrauch auf und dachte mir, die Blutstropfen sähen genauso aus wie die Beeren. Und das nächste, an das ich mich erinnere, ist, daß ich in Frankreich erwachte, in der Abtei Sainte Anne de Beaupré. Mein Kopf dröhnte wie verrückt, und jemand reichte mir einen kühlen Trank.«
    Jamie rieb sich den Hinterkopf, als hätte er noch Schmerzen.
    »Manchmal meine ich, daß ich mich auf Kleinigkeiten besinnen kann - eine Lampe, die über mir hin und her schwingt, ein süßer öliger Geschmack auf meinen Lippen, Menschen, die zu mir sprechen -, aber ich weiß nicht, ob irgend etwas davon wirklich passiert ist. Ich weiß nur, daß die Mönche mir Opium gegeben haben, und ich habe fast die ganze Zeit geträumt.« Jamie drückte sich die Finger gegen die Schläfen.
    »Einen Traum hatte ich immer wieder. Lauter Wurzeln wuchsen in meinem Kopf, große, knorrige Wurzeln. Sie gruben sich tief in meinen Schlund, um mich zu ersticken. Schließlich waren die Wurzeln so mächtig, daß sie meinen Schädel sprengten, und ich wachte auf und hörte Knochen bersten.« Jamie verzog das Gesicht. »Es war ein schmatzendes, knallendes Geräusch, wie Kanonenschüsse unter Wasser.«

    »O Gott.«
    Ein Schatten fiel plötzlich über uns, und ein fester Stiefel schob sich vor und stupste Jamie zwischen die Rippen.
    »Faulpelz«, sagte der Neuankömmling fast gemütlich, »schlägst dir den Bauch voll, während die Pferde verrückt spielen. Wann hast du die kleine Stute endlich zugeritten, Junge?«
    »Geht sicher nicht schneller, wenn ich verhungere, Alec«, erwiderte Jamie. »Greif zu; es ist genug da.« Er reichte ein Stück Käse zu der arthritischen Hand hinauf. Die krallenartig verkrümmten Finger schlossen sich langsam um den Käse, während sich ihr Besitzer im Gras niederließ.
    Jamie stellte den Mann formvollendet als Alec MacMahon MacKenzie, Oberstallmeister von Burg Leoch, vor.
    Die gedrungene Gestalt in lederner Kniehose und Arbeitskittel strahlte genug Autorität aus, um jeden widerspenstigsten Hengst zu bändigen. »Ein Aug’ wie Mars, zu drohen oder zu befehlen« - dieses Zitat kam mir prompt in den Sinn. Es handelte sich in der Tat nur um ein Auge; das andere wurde von einer schwarzen Klappe bedeckt. Wie um den Verlust auszugleichen, sprossen die Brauen überreichlich, und einige lange graue Haare ragten wie Insektenfühler aus den dichten braunen Büscheln.
    Nachdem er einmal genickt und mich damit zur Kenntnis genommen hatte, ignorierte mich der alte Alec (denn so nannte ihn Jamie - um ihn vom jungen Alec, der mich wieder hierhergeführt hatte, zu unterscheiden) und widmete seine Aufmerksamkeit statt dessen dem Mahl und den drei jungen Pferden auf der Wiese. Ich wiederum konnte mich für die nun folgende angeregte Diskussion über die Abstammung mehrerer sicherlich hervorragender Wallache und etliche Jahre umspannende Details aus den Zuchtbüchern des Stalles samt den dazugehörigen hippologischen Informationen über Sprunggelenke, Widerriste, Schultern und andere Punkte der Anatomie nicht recht erwärmen. Da das einzige, was mir an einem Pferd auffiel, Nase, Schweif und Ohren waren, entgingen mir die Feinheiten ganz und gar.
    Ich lehnte mich, auf die Ellbogen gestützt, zurück und genoß die warme Frühlingssonne. Der Tag war seltsam friedlich; alle Dinge schienen ruhig ihren Gang zu gehen, ungeachtet aller menschlichen Aufregungen. Vielleicht lag es an der Arbeit im Garten, der stillen Freude, die man empfand, wenn man Pflanzen beim Wachsen
und Gedeihen half. Vielleicht lag es auch an meiner Erleichterung darüber, daß ich endlich eine Tätigkeit gefunden hatte, statt durch die Burg zu irren und mich fehl am Platz zu fühlen, so auffällig wie ein Tintenklecks auf Pergament.
    Hier kam ich mir nicht so vor, obwohl ich an dem Gespräch über Pferde nicht teilnahm. Der alte Alec behandelte mich, als wäre ich ein Teil der Landschaft, und Jamie der anfangs noch ab und zu einen Blick in meine Richtung geworfen hatte, ignorierte mich dann auch, während die Rede in die gleitenden Rhythmen des

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