Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
gehst du mit der Frustration um, Josephine? Wie gehst du damit um, dir zu verwehren, was du begehrst?‹
Aber all das sagt er natürlich nicht. Als sich seine Lippen wieder bewegen, gibt er den einzigen Satz von sich, der im Moment angebracht ist.
»Atme, Josie. Atme. Sofort!«
Und sie atmet.
»Wiederholung!«
Erst nachdem sie ein weiteres Mal gehorcht hat, lächelt er. »Ich werde hinaufgehen und mich ankleiden. Meinst du, dass du in einer Stunde bereit sein wirst?«
»Ja.« Etwas zittrig, doch im Bereich des Akzeptablen.
»In Ordnung ... Wolltest du noch irgendetwas oder darf ich gehen?«
Sie schluckt und zieht es vor, nichts zu erwidern. Seine Lippen gleiten sanft über ihren rechten Mundwinkel. »Josie?«
Keine Erwiderung – große Augen – hektischer Atem – feuchte, erhobene Hände. »Josie darf ich gehen?«
Und diesmal antwortet sie. »Nein.«
Andrew hebt eine Augenbraue. »Nein? Was möchtest du dann?«
»Du bist gemein!«
Das ist definitiv keine Antwort auf seine Frage. Er nickt und berührt mit jeder Kopfbewegung leicht ihre Lippen. »Einigen wir uns darauf, dass wir beide gemein sind. Sag mir, was du willst, Baby.«
Zum ersten Mal kämpft sie nicht gegen eine Attacke ihrer Lungen oder gegen Ekel. Diesmal ist ihr erbitterter Feind sie selbst. Irgendetwas verbietet ihr, ihn um einen winzigen Kuss zu bitten. Das ist neu. »Letzte Chance. Was. Willst. Du?«
Doch sie entgegnet nichts, sondern widmet sich weiter ihrem internen Kampf. Andrew wartet noch einige Sekunden, dann lässt er langsam die Arme sinken, tritt einen Schritt zurück und holt tief Luft. »Du solltest dich beeilen, wir wollen um zwölf losfahren.«
Und ohne ihren glitzernden Augen, dem hektischen Atem, den geröteten Wangen und ihren erhobenen Händen die geringste Beachtung zu schenken, macht er auf dem Absatzkehrt und geht.
Mr. Sunshine
A ls Andrew zwanzig Minuten später wieder nach unten kommt, ist Josie nicht da.
Er widersteht dem Impuls panisch durchs Haus zu laufen, um nach ihr zu suchen. Sie ist eine Frau – irgendwie – und die brauchen nun mal etwas länger.
Ziemlich ratlos steht er an der Treppe und sieht sich um. Was soll er jetzt tun? Wenn er nicht hinter seinem Schreibtisch sitzt, weiß er anscheinend nichts mit sich anzufangen. Hmmm, was tut er denn sonst, solange er sich hier aufhält?
Arbeiten.
Richtig.
Was noch?
Mit gerunzelter Stirn grübelt Andrew darüber nach. Manchmal kocht er. Kochen ergibt nicht viel Sinn, weil sie ja zum Lunch eingeladen sind.
Was sonst?
Als ihm auf diese Frage nach zwei Minuten nach wie vor nichts eingefallen ist, grinst er etwas schief. So wie es aussieht, kann er mit Freizeit nicht sinnvoll umgehen. Gut, er könnte es sich auf jeden Fall auf der Couch bequem machen. Dann wird sie nicht glauben, er hätte auf sie gewartet. Verhalten lacht er auf. Als würde er jemals auf diese Frau warten. Allein die Vorstellung ist der reinste Witz. Auf Josie warten ... Nein!
Nachdem er auf dem ausladenden Sofa Platz genommen hat, ist er ebenso ratlos wie zuvor. Vielleicht doch der Fernseher? Eigentlich mag er ihn nicht. Diese Filme gehen ihm auf die Nerven, in den Nachrichten verfolgt er ohnehin nur den Wirtschaftsteil und alle weiteren Programme entbehren Andrews Ansicht nach jeder Daseinsberechtigung. Worin liegt der Sinn, den ganzen Tag auf einer weichen Couch zu sitzen und zu verfetten, was einen früh ins Grab befördern wird?
Als Andrew endlich in der absoluten Stille des Hauses das leise Klappen einer Tür hört, atmet er auf. Sie hindert ihn am Arbeiten, also soll sie gefälligst für die Freizeitgestaltung sorgen. Mit dieser Aufgabe ist er eindeutig überfordert.
Er meidet den Blick zu ihr, als das Mädchen die Treppe hinunterkommt. Teilweise, um es nicht noch weiter zu verunsichern, doch auch aufgrund ihrer Zurückweisung in der Küche. So sehr er sich bemüht, ihm fällt keine logische Erklärung für ihr Verhalten ein. Warum gestattet sie sich jetzt nicht einmal mehr einen Kuss? Existiert darauf überhaupt eine halbwegs intelligente Antwort? Vielleicht ist das ja eine dieser Frauen – Hormonsachen, nur dass bei Josie die negativen Begleiterscheinungen überdimensioniert ausgeprägt sind. Denn über ausreichend Hormone verfügt sie, das weiß er zufällig ganz genau.
Er lauscht ihren Absätzen, die den Holzboden am Fuß der Treppe berühren und schließlich verstummen. Nach einer Weile entscheidet sie, den ersten Schritt zu wagen. Erneut ertönt das Klack – Klack –
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