Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

sie nicht, sondern reckt stattdessen ihr Kinn vor – aus ihrer Ansicht nach ungefährlicher Entfernung. Ha! »ANDREW, HÖR AUF!«
    ›Sobald du verschwunden bist, du miese Schlampe!‹ Als Nächstes hält er den Krug in der Hand und jetzt visiert er sie direkt an. Beinahe erwischt er sie auch.
    Beinahe!
    Leider ist sie einen Tick zu flink und kann die Tür hinter sich zuwerfen, bevor das Gefäß genau in der Höhe auf das Holz trifft, wo sich Momente zuvor ihr Kopf befunden hat. Das Glas detoniert mit einer solchen Wucht, dass die Scherben meilenweit durch den gesamten Raum fliegen.
    Verdammter Mist! Er hätte schneller sein müssen. Schwer atmend sinkt er in seine Kissen zurück, versucht, sich zu beruhigen. Es gelingt ihm leidlich und schließlich blickt er zum Fenster. Es ist bereits wieder Morgen. Nicht mehr lange, und dann muss Josie kommen.
    Mit verschränkten Armen schaut Andrew nach draußen und wartet auf seinen Engel ...

    Sebastian steht am Fuß der Treppe, wirft einen Blick auf die Uhr und lauscht. Das ist neuer Rekord. Claudia befindet sich seit drei Minuten und vierundzwanzig Sekunden bei Andrew und noch nichts ist zu Bruch gegangen.
    Genau das scheint der Startschuss zu sein, denn in diesem Moment hört er es. Es ist immer die gleiche Abfolge: der mörderische Schrei: das mörderische Brüllen »RAAUUUUUS!«
    Tür knallen.
    Schepper , Klirr! oder Rumms! Sebastian wollte sie nicht allein zu ihm lassen, doch sie bestand darauf. »Bastie, er ist mein Bruder!« Und damit marschierte sie mit dem Tablett (der fünfte Versuch in anderthalb Tagen) nach oben.
    Bewundernd sah er ihr nach. Was für ein Hintern!
    Ja, sein Baby ist resolut! Das stimmt und genauso mag er es. Nichts gegen Julia und Josie! Aber die sind ihm etwas zu zierlich. Claudia ist schlank, besitzt eine saugeile Figur, doch sie ist nicht zart. Oh nein! Man muss nicht befürchten, dass man sie bei der ersten Berührung kaputtmacht. Sie ist so scharf wie Chili, um es mal profan auszudrücken.
    Perfekt!
    Es ist der Nachmittag des Tages, nachdem Josie in die Klinik gebracht wurde, und Sebastian würde es natürlich nie zugeben – er ist schließlich hart im Nehmen – aber in Wahrheit könnte er heulen. Niemand von ihnen hat mit diesem Ausmaß gerechnet.
    Mit Andrews Ausrasten, ja. Jedoch nicht damit, dass er seit diesem Zeitpunkt im Zehnminutentakt schläft, um dann schreiend aufzuwachen und dass er sich weigert, zu essen – zumindest das wird bald zu einem Problem ...
    Er wirft jeden, der sein Heiligtum betritt, sofort hinaus, benutzt als Waffe, was ihm unter die Finger kommt ... Sein Essen – natürlich. Aber auch Wecker, Bilder, Bücher, Geschirr – ausnahmslos alles, was nicht zufälligerweise angenagelt ist. Und selbst diesbezüglich arbeitet er an der Abhilfe. Regelmäßig schleichen sie in seinen kurzen Schlafphasen in das Zimmer und beseitigen die Scherben, damit er sich nicht daran verletzt.
    Als Sebastian ihn das erste Mal hörte, war er noch entsetzt, doch Claudia reagierte kaum. Aber als sich die Schreie häuften, wurde auch sie blass. »Das ist neu.«
    »Was?«
    »Sonst war es nur einmal«, erklärte sie. Selten, dass sein Chili–Baby so gedämpft sprach. »Jede Nacht. Dies ist ebenso Teil meiner Kindheit wie Disneyland. Aber das ...« Sie verstummte und ihr Blick wanderte nach oben. »Das ist neu.«
    Julia haben sie fortgeschickt. Sie ist dem nicht gewachsen. Nachdem Andrew sie aus seinem Zimmer rausgeworfen hat, kam sie weinend die Treppe hinab. »Er hasst mich!«
    Claudia umarmte sie »Das tut er nicht. Er ist nicht bei Sinnen.«
    Doch sie ließ sich nicht beruhigen. Im Gegensatz zu ihrer großen Schwester gelang es Julia nicht, Andrews Zustand zu ertragen. Später erzählte Claudia von den beiden und das erklärte eine Menge. Wie sollte die Kleine verkraften, dass ihr geliebter, angebeteter Bruder unvermutet zu einem geistlosen Monster mutiert ist?
    Schließlich verschwand sie. Die Drei konnten sie davon überzeugen, dass es das Beste sei. Eines hat Sebastian mittlerweile gelernt: Nicht jeder eignet sich für so etwas, obwohl er die derzeitige Erfahrung nicht einmal seinem ärgsten Feind wünschen würde.
    Doch vermutlich sind Claudia, Frank Johnson und Sebastian genau die Richtigen für den Job.
    Der Ex–Chauffeur ist ein Unikat, denn den Typ erschüttert nichts. Als Andrew seine lächerliche Entlassungsnummer zum Besten gab, war Sebastian auf Franks Reaktion gelinde gesagt ein bisschen neugierig. Aber dass der seelenruhig