Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
seinen Kaffee trank, während er Andrews Verbalattacke gekonnt retournierte, warf ihn um!
Als er ihn später danach fragte, grinste Frank nur – humorlos wie üblich. »Die Kündigung ist sowieso ungültig – nur schriftlich möglich. Das werde ich ihm bestimmt nicht auf die Nase binden.« Dann verblasste das Grinsen. »Ich kann ihn nicht allein lassen. Scheiß auf den Job! Ich bin für ihn verantwortlich!«
Sebastian ist kein Mitglied der Familie – zumindest noch nicht – doch er versteht ihn sogar ganz genau. Nicht, dass er sich eingemischt oder ein vorschnelles Urteil gefällt hätte. Nein, das steht ihm nicht zu. Trotzdem ist er der Ansicht, dass sie reichlich spät beschlossen haben, sich um den Kerl zu kümmern.
Am Freitag hat ihm persönlich ein Blick auf Andrew genügt, um zu erkennen, was dessen Verwandtschaft scheinbar zwanzig Jahre lang entgangen ist. Die roten, geschwollenen Augen, die Art, wie er krampfhaft die Hand des Mädchens hielt, der argwöhnische, gehetzte Gesichtsausdruck. Jeder ist grundsätzlich sein Feind und will ihm nur das Schlechteste.
Er ist fertig. Definitiv.
Finch hat das entsetzt, obwohl er nichts sagte. Daraus schließt Sebastian, dass die Symptome wohl erst in der letzten Zeit aufgetreten sind. Und wenn schon! Diese dunklen Schatten unter den Augen! Das muss seiner Familie doch aufgefallen sein! Claudia hat von seinen Schreien erzählt. Jede Nacht? Ihre gesamte Kindheit lang? Und da reagierte niemand? Wahrscheinlich ein Fall von Fachidiotie. Nichts gegen Stephen. Der Mann ist in Ordnung! Aber er ist Arzt Himmel Herr Gott! Und da ist ihm nicht klar geworden, dass zu Hause etwas nicht stimmt? Womöglich hatte er keine Lust, auch noch nach der Arbeit einen Patienten zu behandeln oder ihn wenigstens zu einem ordentlichen Mediziner zu schaffen.
Andrew tut Sebastian leid.
Was er von ihm kennenlernte, bevor der Typ entschied, seinen Verstand an der Garderobe abzugeben, war unter der Oberfläche durchaus sympathisch. Den harten Kerl hat er gesehen, doch hat er auch das kleine, unwillkürliche Lächeln bemerkt, als er mit ihm sprach. Allerdings ist ihm das leise, unwillkürliche Lächeln nicht entgangen, als er mit ihm sprach und übrigens auch nicht, wie liebevoll und besorgt Norton mit seiner Kleinen umging.
Der Mann ist nicht verkehrt. Sebastian will ihm helfen, obwohl er ihn kaum kennt. Doch wenn er Frank so betrachtet, ist es gut möglich, dass der steinreiche Typ diese gewisse Ausstrahlung auf seine Mitmenschen hat. Man muss sich um ihn kümmern. Er hat etwas an sich ... Keine Ahnung, was genau es ist. Aber er scheint irgendwie total verloren.
Harter Kerl. Hmmm.
Designer Anzug, der Typ wirkt wie aus dem Ei gepellt. Hmmm.
Garantiert intelligent und gebildet. Hmmm.
Konzernchef! Super!
Groß, schlank, durchtrainiert, gut aussehend – na ja, zumindest bis vor fünf Tagen, seitdem geht es damit eindeutig bergab. Genial!
Ausnahmslos Attribute, die sich auf einen erfolgreichen Mann vereinigen, sollte man meinen, oder? Leider gab es einige nicht so tolle Dinge zu registrieren: toter, gebrochener Blick, kein Leben in den Augen! Das kam erst, als die Kleine eintrat. Finch hatte Sebastian erzählt, weshalb er dessen Dienste benötigt, und daher war er nicht überrascht. Doch auch wenn nicht ... Sobald das Mädchen auf der Bildfläche erschien, wären ohnehin alle Klarheiten beseitigt gewesen.
Da war plötzlich ein Leuchten in Andrews Gesicht und mehr – viel mehr. Er sah seine Gesprächspartner nämlich nicht an – weder Sebastian noch Finch – sondern konzentrierte sich ausschließlich auf Josie, was ihm übrigens in seiner leichten geistigen Umnachtung glatt entging. Und das »Nein!« als sie wieder gehen wollte, klang ein wenig zu verzweifelt für einen wie ihn, überhaupt für einen Kerl. Ganz besonders, wenn man bedenkt, dass sie nur den Raum zu verlassen beabsichtigte, nicht die Etage, geschweige denn das Gebäude.
Oh, die Idee von der großen Liebe gefällt Sebastian. Sie widerfährt ihm gerade selbst, und er gönnt sie jedem. Die Nummer zwischen den beiden ist nur blöderweise etwas total anderes: akute Abhängigkeit. Dieses winzige Persönchen entscheidet darüber, ob der Mann lebt oder stirbt.
Gefährliche Angelegenheit! Äußerst gefährlich, sogar.
Denn leider ist das winzige Persönchen weg, und irgendwie hat Sebastian nicht den Eindruck, als würde das Andrew sehr gut bekommen ...
Und da der schon einmal auf dem Weg ist, setzt er alles daran, seine
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