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Feueratem

Feueratem

Titel: Feueratem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gut sie es vermochte, holte Teres aus und schlug zu. Sie legte all ihre Wut, all ihre Enttäuschung, den Schmerz und das Gefühl, hilflos zu sein, in diesen einen Hieb. Ihre Hände waren nicht groß genug, um auch nur eine von ihnen ganz abzudecken, doch sie spürte, wie das weiche, geschmeidige Fleisch unter ihrer Handfläche zusammenzuckte.
    „Ich hasse dich!“
    Ihre Stimme, immer noch dünn und nicht gewichtiger als das Geräusch, das die Schilfrohre im Wind machten, brach sich diesmal nicht an den Wänden – sie stand zu nahe vor dem Drachen. Er machte eine ruckartige Kopfbewegung, und Teres stürzte auf die Knie. Der jähe Schmerz, der sie durchzuckte, war nichts im Vergleich zu dem eisigen Stachel der Furcht. Sie hatte ihn nie eine plötzliche Bewegung in der Höhle machen sehen, niemals, und ihr wurde klar, dass er sie hier und jetzt verbrennen konnte, wenn er das wollte.
    Teres biss sich auf die Lippen. Nein, sie würde nicht um Vergebung bitten oder gar um ihr Leben flehen! Ihre Kniescheiben waren wund, und ihre Beine zitterten, als sie sich wieder erhob, aber sie drehte sich nicht um, und sie schlug auch nicht die Augen nieder.
    In den dunklen Pupillen des Drachen spiegelte sich nichts, und es kam Teres vor, als söge er sie mit diesem Blick in sich hinein. Erst, als seine Lider sich schlossen, stieß sie den Atem aus, den sie angehalten hatte, und verließ die Höhle.
    ***
    Am nächsten Morgen war ihre jüngere Schwester und eine ihrer Basen an der Reihe mit der Pflege, nicht Teres. Dafür half sie Anis, die mit ihrem Neugeborenen die ersten Spaziergänge machte und dankbar dafür war, wenn jemand anderer hin und wieder das Wickeltuch mit dem Kind auf seinen Rücken nahm.
    „Hat es dir eigentlich je leidgetan, dass du Guso heiraten musstest?“, fragte Teres.
    „Warum sollte es das?“, gab Anis erstaunt zurück. „Ich kannte ihn doch schon mein ganzes Leben.“
    Eben, dachte Teres, doch sie sprach es nicht laut aus. Sie hatte ihre Vettern gern, manche mehr, manche weniger, aber sie konnte sich nicht vorstellen, für einen von ihnen die überwältigende Freude und das Herzweh zu empfinden, das Sani in ihr ausgelöst hatte. Dazu waren sie ihr einfach viel zu vertraut. Wenn man einen Jungen schon als kleines Kind erlebt hatte, wie er in der Nase bohrte, fiel es schwer, ihn später ernst zu nehmen.
    „Am wichtigsten war“, sagte Anis ernst, als spüre sie, dass Teres nicht nur aus Lust und Laune solche Fragen stellte, „dass ich wusste, wie sehr ich Guso vertrauen kann. Auf wen trifft das schon zu, der nicht zu unserem Clan gehört?“
    Noch vor zwei Tagen hätte Teres so einen Satz zum Anlass genommen, um ihre Liebe zu Sani zu bekennen und gleich noch einen ihrer schönsten Tagträume hinzuzufügen: wie eine Heirat zwischen ihnen beiden zumindest zwei der Clans versöhnte. Aber nun dachte sie daran, dass er ihren ersten Kuss mit einer Drohung verbunden hatte. Was, wenn der Drache recht hat? Die Frage flatterte durch ihren Kopf wie ein kleiner Vogel, der sich nicht beruhigen konnte. Hätte Sani mich angesehen, wenn er nicht auf den Zauber des ClansDekapa ausgewesen wäre?
    „War das vor dem großen Krieg anders?“, fragte sie mit brüchiger Stimme. „Als die Clans noch im Frieden lebten?“
    Anis zuckte die Achseln. „Darüber weiß ich nichts.“
    Wenn Frieden herrschen würde – echter Frieden, kein Waffenstillstand, bei dem jeder darauf wartete, dass der andere ihn brach – und Vertrauen, dann würde sie sich jetzt höchstens fragen müssen, wann sie Sani ihren Eltern vorstellen konnte, nicht, ob er selbst ihre erste Begegnung eingefädelt hatte. Der Gedanke erfüllte Teres mit einer Traurigkeit, die umso tiefer war, weil ihr die Hoffnung fehlte.
    Aber es gab etwas, was sie dagegen tun konnte.
    ***
    An diesem Abend schlich sich Teres wieder in die Höhle. Um dem Drachen zu beweisen, dass er mich nicht eingeschüchtert hat, sagte Teres sich. Und wusste, dass es wohl eher daran lag, dass sie ihn dazu bringen wollte zurückzunehmen, was er behauptet hatte.
    Wieder hatte er die Augen geöffnet; fast schien es ihr so, als habe der Drache auf sie gewartet. „Du warst nicht dabei. Du kennst Sani doch gar nicht. Woher willst du wissen, dass er mich nicht doch liebt?“
    Eine schwache Wolke aus Ruß und heißer Luft wirbelte über den Nüstern des Drachen, als er schnaubte. Teres hatte den Eindruck, dass er sie auslachte. Erbittert verließ sie die Höhle wieder und nahm sich vor, von nun an nur

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