Feuerbluete 01 - Feuerbluete
Flammen die Lichtung erhellten.
Sie versuchte sich an die Worte zu erinnern, die bei der Übergabezeremonie gesprochen wurden. Trotzig wandelte sie sie ab, damit sie passten. »Hiermit nehme ich mir mein Meisterschwert«, sagte Alena laut und klar. »Ich gelobe, es in Ehre zu führen und es zu tragen, solange ich lebe.«
Alenas Herz schlug einen Trommelwirbel, als sie langsam den Stoff abwickelte und ihre neue Waffe - einen leichten Zweihänder - aus der Lederscheide zog. Sie hatte noch nie etwas so Schönes gesehen. Das Schwert hatte eine gerade, unglaublich scharfe Klinge aus Iridiumstahl, in die in winziger Schrift ein Gedicht eingraviert war. Die Parierstange war in eleganten Bogen geschmiedet, und dort, wo die Klinge in den Griff überging, war ein Smaragd eingearbeitet, der so groß war wie ein Auge. Einen solchen Stein hatte Alena noch nie gesehen und sie wagte kaum ihn zu berühren. Den Knauf verzierten kleinere Steine derselben Farbe.
Ehrfürchtig nahm Alena das Schwert, führte ein paar schnelle Schläge damit. Es lag wunderbar leicht in der Hand, wisperte durch die Luft wie eine Vogelschwinge. Jubel quoll in ihr hoch. Mit diesem Schwert brauchte sie nichts und niemanden mehr zu fürchten!
Doch dann entzifferte sie das Gedicht auf der Klinge und ihr Gefühl der Unbesiegbarkeit verschwand mit einem Schlag.
Ein Hauch der Ewigkeit
Wehte uns an, als wir dort standen,
Im Mittelpunkt der Welt, in der Seele von Daresh
Und einen Atemzug lang fühlten wir uns unsterblich -
Aber ach, wir waren es nicht.
Nachdenklich ließ Alena die Finger über das kühle Metall gleiten. Worauf sich das wohl bezog?
Ein Geräusch am Rande der Lichtung ließ sie herumfahren. Es hatte sich angehört, als wäre jemand auf einen trockenen Zweig getreten! Hatte jemand sie beobachtet? Niemand in Gilmor durfte wissen, dass sie sich ihr Meisterschwert schon genommen hatte!
Alena meinte ein weißes Aufblitzen am Waldrand zu sehen und ein Schauder lief ihr über den Rücken. War das der Weiße Panther gewesen? Reichte es, wenn man ihn nur kurz sah - trug man dann schon den Keim des Verderbens in sich?
Hastig verstaute sie das Schwert wieder, löschte die Fackeln und stand auf. Als der dritte Mond hinter dem Horizont verschwand, war sie zurück in ihrem Zimmer. Mit der Hand um den Griff ihrer neuen Waffe schlief sie ein.
II
D ER WEISSE P ANTHER
Stadt der Farben
In dieser Nacht begannen die Träume.
Alena sah sich auf einer Ebene stehen. Ihr gegenüber trat ein Weißer Panther aus dem Phönixwald. Lautlos und tödlich. Er war keine zwanzig Schritt entfernt. Alena zog ihr Schwert, versuchte dem Panther mit einem Streich den Kopf abzuschlagen - doch die Waffe zerschmolz in ihren Händen. Zischend tropfte das Metall auf den Boden. Hilflos musste Alena zusehen, wie das Tier auf sie zuglitt. Sie konnte seine gelb glühenden Augen erkennen, seine weichen Pfoten, die witternd erhobene Schnauze.
Der Panther duckte sich, setzte zum Sprung an. Alena wollte ihm ausweichen - zu spät! Sein großer weißer Körper warf sich auf sie, begrub sie unter sich ...
Schwer atmend, mit hämmerndem Herzen wachte Alena auf. Sie blieb einen Moment liegen um sich wieder zu beruhigen. Es war so wirklich gewesen. Einen derart echten Traum hatte sie noch nie gehabt. Was bedeutete er? Sie hatte keine Ahnung. Sie löste ihre Hand vom Griff ihres Schwertes, das schwarze Leder war schon feucht von ihrem Schweiß. Was hatte sie falsch gemacht, warum hatte sie den Panther nicht besiegen können? Warum hatte ihr das neue Schwert nicht geholfen? Es war ein böses Omen, dass es ihr in der Hand zerronnen war. Auch wenn es nur im Traum geschah. Sie musste Tavian fragen, was das zu bedeuten hatte. Vielleicht bekam sie auch heraus, worauf sich das Gedicht bezog und woher die grünen Steine stammten.
Auf bloßen Füßen huschte sie hinüber zu Tavians Zimmer und lugte durch die Tür. Was sie sah, ließ sie erstarren. Ihr Vater lag bewegungslos ausgestreckt, mit geschlossenen Augen auf seinem Lager. Ralissa kniete am Fußende des Bettes und schluchzte leise.
»Ist er tot?«, fragte Alena und hörte, dass ihre Stimme zitterte.
Ralissa hob das Gesicht und trocknete schnell ihre Tränen. »Nein, sein Herz schlägt noch, aber ich schaffe es nicht, ihn zu wecken!«
Auch Alena gelang es nicht, obwohl sie ihn anschrie: »Pa! Lass mich jetzt nicht allein - bitte!«
Beunruhigt stürzten Rena und Tjeri herein. Sie sahen sofort, was geschehen war. Rena untersuchte Alenas
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