Feuerbluete 01 - Feuerbluete
weißes Zelt. Rena kletterte hinauf und Alena folgte ihr einfach. Kerrik und Cchraskar blieben zurück.
Eine Mann mit kahlem, poliertem Schädel, der in eine mit Silberfäden bestickte Robe gekleidet war, kam mit langen Schritten auf sie zu. Er hatte ein Dutzend Soldaten und eine Gruppe von Beamten im Schlepptau. Alena sah die Insignien eines Stadtkommandanten an seinem Kragen und begriff, dass das Yorkan war, Lilas’ Vater.
»Die Stadt ist praktisch lahm gelegt«, knurrte der Stadtkommandant, ohne sich mit Begrüßungsförmlichkeiten aufzuhalten. Er hatte eine kraftvolle Bassstimme. »Ich hoffe, es lohnt sich wenigstens. Kommt, gehen wir noch einen Moment nach hinten. Ein paar Leute wollen Euch kennenlernen.«
Sie setzten sich in das Zelt und Diener servierten Getränke. Routiniert plauderte Rena mit den Würdenträgern und Beamten, die ihr die Ehre erwiesen. Doch ihre Augen waren starr und ihr Lächeln gezwungen. Alena machte sich Sorgen. Sie ist stark, dachte sie, aber kann sie das jetzt durchstehen?
Unruhig ging Alena wieder nach draußen, ließ den Blick über die Menge schweifen. Der Platz war schwarz vor Menschen, wie ein Meer aus Tausenden von Köpfen sah es aus. Und alle sahen sie an. Schnell zog sich Alena wieder zurück.
»Was ist, können wir anfangen?«, fragte einer der Beamten.
Rena schloss kurz die Augen, atmete tief durch. Dann nickte sie und trat hinaus auf die Plattform. Alena blieb am Eingang des Zelts stehen und beobachtete sie.
Der Platz war so geschickt konstruiert, dass man die Stimme eines Sprechers, der auf der Plattform stand, bis in alle Winkel verstehen konnte.
»Die meisten von euch kennen mich«, begann Rena und es wurde still auf dem Platz zwischen den Türmen. »Mein Name ist Rena ke Alaak. Ich habe schon oft für Daresh gekämpft oder verhandelt. Leider ist jetzt nach vielen Wintern die Zeit gekommen, da es wieder einmal nötig ist...«
Ein neugieriges Summen brandete in der Menge auf.
»Manchmal glaubt man etwas, weil man es glauben möchte«, fuhr Rena fort. »Man hört schöne Worte und überlässt sich ihnen. Aber euer Vertrauen wird missbraucht! Von einem Mann, der nicht gezögert hat Hunderte von Menschen zu töten. Einem der intelligentesten und gefährlichsten Männer, die die Feuer-Gilde jemals hervorgebracht hat: Cano ke Tassos ...«
Und das Unglaubliche geschah - trotziger Applaus brandete auf. Hochrufe erschollen.
Sie wissen es schon, dachte Alena, und ein unangenehmes Prickeln durchlief sie. Wenn sie seinen Namen kennen, dann wissen sie schon, was wir ihnen sagen werden.
»... der sich jetzt der Heiler vom Berge nennt, so wie er sich einmal der Prophet des Phönix genannt hat...«
Der Aufruhr wurde lauter. Wie ein unruhiges Tier wogte und grollte die Menge vor ihnen. Rena kam nicht mehr dagegen an. Alena sah, dass sie darum kämpfte, die Fassung zu wahren. Gib nicht auf, dachte Alena mit zusammengebissenen Zähnen. Fast ohne dass sie es merkte, hatten sich ihre Fäuste geballt.
Jetzt brüllten alle durcheinander, doch nach und nach konnte Alena einzelne Stimmen verstehen. »Woher wissen wir denn, dass wir dir vertrauen können?« - »Die Wahrheit, die Wahrheit!« - »Sag die Wahrheit über dich!«
»Ihr meint die Gerüchte, die jemand, der mir schaden möchte, verbreitet«, erwiderte Rena, als man sie endlich wieder zu Wort kommen ließ. »Ich bin bereit auf jedes einzelne zu antworten!«
Eine Frau kletterte auf das Podium und die Soldaten hielten sie nicht zurück. Sie war dürr und hatte eine schlechte Haltung. In ihren Augen brannte der Hass. »Man sagt, dass du dein eigenes Kind getötest hast, Rena!«, rief sie. Ihre Stimme war schrill. »Dass es eine Missgeburt war, weil es zwischen zwei verschiedenen Gilden gezeugt wurde und du nicht ertragen hast, es leben zu sehen!«
Rena war totenblass. Ihre Lippen zitterten. Sie versuchte zu sprechen, stockte. Erschrocken sah Alena, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Noch einmal setzte Rena an, etwas zu sagen, doch sie schaffte es nicht. Schnell drehte sie sich um und ging davon, zurück zum weißen Zelt.
Auf einmal war es sehr still auf dem Platz zwischen den silbernen Türmen. Jemand neben Alena begann leise zu fluchen. Yorkan war es, der Stadtkommandant.
Und das alles nach dem, was mit Tjeri passiert ist, dachte Alena, und eine furchtbare Wut auf die Menschenmasse dort unten, auf die Bewohner von Ekaterin, brandete in ihr auf. Bevor sie ganz begriffen hatte, was sie tat, war sie nach vorne
Weitere Kostenlose Bücher