Feuerbluete 01 - Feuerbluete
entfernt konnte man den Bogen des Herztors gerade noch erkennen.
Alena wandte sich wieder nach vorne, sah auf zu den enormen geschwungenen Säulen des Palasts, die schmutzig grau vor ihnen aufragten. Wie die Rippen eines riesigen toten Tieres, dachte sie beklommen. »Wie schützt man sich eigentlich vor einem Fluch?«
»Gar nicht«, sagte Kerrik.
»Mit einem Talisman zum Beispiel«, sagte Rena.
Alena legte die Hand an ihr Schwert, schloss die Finger um den Griff und tastete nach dem Smaragd. Wenn sie einen Talisman hatte, dann diesen hier. Das Schwert, das ihr Vater für sie gemacht hatte. Bisher hatte es ihr nicht gerade Glück gebracht. Aber was nicht war, konnte ja noch werden.
»Gehen wir«, sagte Alena.
Der Herzschlag der Dinge
Vorsichtig gingen sie unter den Säulenreihen hindurch. Alena legte die Hand auf den kühlen Stein. »Was ist dir daran komisch vorgekommen?«, fragte sie Kerrik.
»Damals sah’s so aus, als würden sich die Säulen bewegen - als würden sie uns warnen, nicht näher zu kommen«, sagte Kerrik und sah sich aufmerksam um. Seit sie aus der Stadt heraus waren, wirkte er anders, wachsamer und selbstsicherer zugleich. Es fiel Alena leicht, ihn sich im Dschungel vorzustellen.
»Säulen, die sich bewegen?« Cchraskars dunkle Augen glitzerten amüsiert. »Warrst du vorher im Wirtshaus?«
Kerrik warf ihm einen düsteren Blick zu. Er deutete auf einige kleinere Säulen, kaum armdick, die den Rand des Gebäudes zierten. »Wo wir schon bei den Säulen sind: Ich könnte schwören, dass die das letzte Mal nicht da waren!«
»Ich denke, die Leute trauen sich nicht mehr her? Warum sollten sie hier noch etwas bauen?« Doch Alena stellte fest, dass Kerrik Recht hatte - die kleinen Säulen sahen weißer aus, weniger verwittert als die anderen.
Sie zuckte die Schultern und ging vorsichtig auf den Eingang zu, ein prächtiges eisernes Tor mit Blüten- und Rankenmotiven. Es stand ein Stück weit offen, am Eingang hatten sich trockene Blätter gesammelt, die vom Wind dorthin geweht worden waren.
Vorsichtig nach allen Seiten sichernd lugten Rena und Cchraskar durch den Spalt, stemmten die Türflügel dann mit aller Kraft weiter auf. »Alles verlassen«, meldete sie. »Beim Erdgeist, was für ein Anblick!«
Alena und die anderen folgten ihr. Als sie drinnen waren, blieb Alena einen Moment lang staunend stehen und legte den Kopf in den Nacken. Die Eingangshalle war drei Stockwerke hoch und über und über mit Ornamenten verziert. Sie wagte gar nicht sich vorzustellen, wie lange Steinmetze daran gearbeitet haben mussten. Jedes Stockwerk war von Galerien gesäumt, umlaufenden Balkons, von denen man in die Halle hinabblicken konnte. Der Fußboden war mit Mosaiken in Schwarz, Weiß und Gold bedeckt. In der Mitte der Halle befand sich eine massige Säule, an der sich Treppen hochwanden. Sie verzweigten sich wie Äste eines Baumes, bildeten Brücken zu den einzelnen Stockwerken.
Man sah, dass der Palast schon lange verlassen war. Einige der Treppen waren heruntergebrochen, ihre Reste lagen als Schutthaufen in der Eingangshalle und hatten Sitzgruppen aus edel geschnitzten Möbeln zertrümmert. Andere bröckelten schon. Aber von Menschen zerstört war nichts. So ein angeblicher Fluch ist praktisch, um Plünderer abzuhalten, dachte Alena.
»Von Bauen für die Ewigkeit haben die nicht viel gehalten«, meinte Rena und stemmte den Fuß gegen einen der Trümmerbrocken. Sie erschraken alle, als eine nur handlange schwarze Schlange darunter hervorschoss. Nervös sprang Alena zurück. In Tassos waren die kleinen Schlangen die giftigsten. Doch die hier schien wenigstens nicht angreifen zu wollen, sie suchte das Weite und verschwand in den Schatten entlang der Galerien.
Hinter ihnen ertönte ein schweres Schnappen. Alena fuhr herum. Die eisernen Türflügel waren hinter ihnen ins Schloss gefallen. Jetzt, wo das Geheul des Windes ausgesperrt war, war es im Inneren des Palasts drückend still. Alena hätte es lieber gesehen, die Tür wäre offen geblieben. Aber es kam ihr kindisch vor, sie wieder aufzustoßen. Sie ging auf die Treppen zu, Cchraskar an ihrer Seite. »Was ist, probieren wir’s erst mal oben?« Ihre Stimme echote in der riesigen Halle.
»Ich bin dafür, unten anzufangen«, sagte Rena. »Wir sollten das systematisch angehen, sonst übersehen wir etwas Wichtiges.«
Kerrik nickte zustimmend. Klar, die von der Erd-Gilde wollen erst mal in den Keller, dachte Alena ironisch und folgte ihren Freunden. Bevor
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