Feuereifer
Stimme war zwar noch heiser, konnte aber benutzt werden, und ich erkundigte mich nach Marcena. »Ich weiß nicht, Liebes, ich weiß von niemandem, der mit Ihnen eingeliefert wurde. Wenn sie so schlimm verletzt war, wie Sie sagen, wäre sie in einer anderen Abteilung, wissen Sie. Fragen Sie den Doc, wenn er Visite macht.« Dann schlief ich den Rest der Nacht - allerdings unruhiger als zuvor. Da meine Erschöpfung etwas nachgelassen hatte, konnte ich die Geräusche des Krankenhauses nicht mehr ausblenden, ebenso wenig wie die Leute, die irgendwas von mir wollten. Angeführt wurde die Parade natürlich von jemandem aus der Verwaltung, der meine Versicherung wissen wollte. Meine Brieftasche hatte in meiner Jeans gesteckt; als ich nach meinen Kleidern fragte, förderte jemand aus dem Schließfach ein unappetitliches Bündel zutage. Das Schicksal meinte es gut mit mir: Meine Brieftasche war noch da, inklusive Kreditkarten und Versicherungskarte.
Als sie mich am Mittwochmorgen zur Visite weckten, saß Morrell an meinem Bett, mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
Die Ärzte erklärten mich für einsatzfähig oder zumindest für imstande, das Krankenhaus zu verlassen. Sie befragten mich wegen der Wunde an der Schulter, die durch die Strapazen etwas mitgenommen war, im Prinzip aber gut verheilte, unterschrieben meine Entlassungspapiere und ließen mich schließlich mit meinem Liebsten alleine.
Morrell sagte: »Nun, Hippolyte, Königin der Amazonen. Du hast wieder eine Schlacht überlebt.«
»Sie haben Herkules wohl noch nicht auf mich angesetzt. Seit wann bist du hier?« »Halbe Stunde etwa. Als ich gestern Abend anrief, hab ich gehört, dass sie dich heute entlassen wollen, und da dachte ich mir, du hättest vielleicht gern frische Unterwäsche.«
»Du bist fast so brauchbar wie ein Mädchen, Morrell. Du kannst zu meiner Horde wilder Frauen stoßen und uns ein Beispiel an Brustlosigkeit sein.«
Er beugte sich vor und küsste mich. »Das mit der abgeschnittenen Brust ist ein Mythos, weißt du. Und ich mag deine ganz besonders gern, tu also bitte nichts Überstürztes.
Obwohl das wohl die überflüssigste aller Bemerkungen ist, wenn man bedenkt, wie du dich in den letzten zehn Tagen misshandelt hast.«
»Und das von dem Mann mit dem Geschosssplitter am Rückgrat.«
Er reichte mir eine kleine Reisetasche, die er mit der ihm eigenen Sorgfalt gepackt hatte: Sie enthielt Zahnbürste, Haarbürste, BH, saubere Jeans und einen Baumwollpulli.
Der BH war mein liebstes Dessous aus rosa und silberner Spitze, den ich vor einigen Wochen bei ihm gelassen hatte, die Klamotten stammten von ihm. Wir sind gleich groß, und die Sachen saßen ziemlich gut; nur die Jeans hätte ich wohl kaum zugekriegt, wenn ich nicht sechsunddreißig Stunden gefastet hätte.
Wir fuhren mit dem Taxi zu mir, wo ich von Mr. Contreras und den Hunden begrüßt wurde wie ein Seemann, der einen Schiffbruch überlebt hat. Mein Nachbar hatte Mitch gebadet und ihn zum Tierarzt gebracht, wo die Schnitte in einer Pfote genäht wurden, die Mitch sich an einer Dose oder dem Stacheldrahtzaun zugezogen hatte. Nach seinem Freudenausbruch kehrte Mitch in Mr. Contreras' Wohnung zurück, rollte sich auf der Couch ein und schlief weiter. Mein Nachbar wollte ihn nicht alleine lassen, weshalb wir uns in der Küche niederließen. Mr. Contreras buk Pfannkuchen, und wir gingen zur Kriegsberichterstattung über.
Als Mr. Contreras bemerkt hatte, dass Mitch mich in den Sumpf führte, war er uns im Wagen gefolgt, aber dann verlief die Straße zu weit westlich, und außerdem hatte er uns im hohen Gras nicht mehr gesehen. Er war zu der Stelle zurückgefahren, wo Mitch die Straße verlassen hatte, aber nach einer halben Stunde tauchte ein Statetrooper auf und wies ihn an zu verschwinden.
»Ich hab versucht, dem Kerl klarzumachen, dass Sie da drin verschwunden sind, aber der sagte, das sei Sache der Polizei von Chicago. Da bitte ich ihn inständig, die anzurufen, und er sagt bloß, er lässt den Wagen abschleppen, wenn ich ihn nicht wegschaffe, also blieb mir nichts anderes übrig, als heimzufahren.« Mr. Contreras klang immer noch völlig niedergeschmettert. »Zu Hause hab ich gleich angerufen, und die haben mir gesagt, ich soll bis zum nächsten Morgen warten und dann eine Vermisstenanzeige aufgeben. Ich hätte wohl Captain Mallory anrufen sollen, aber da hab ich nicht dran gedacht, und außerdem hat sich dann Morrell hier gemeldet und mir erzählt, dass Mitch Sie zu Miss Love geführt
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