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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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dich zu ihr legst und sie wärmst, kommt sie vielleicht durch.«
    Ich gab ihm mit der Hand das Zeichen, dass er sich hinlegen und hierbleiben sollte. Er winselte und sah mich unsicher an, legte sich aber zu Marcena. Ich schickte mich grade an, wieder aus der Kuhle herauszukraxeln, als ich ein Telefon klingeln hörte. Was so verblüffend war, dass ich im ersten Moment dachte, ich hätte wieder Halluzinationen, Telefone im Nirgendwo und womöglich im nächsten Moment Spiegeleier, die vom Himmel fielen. »Marcenas Handy!«Ich lachte leicht hysterisch auf und wandte mich wieder zu ihr. Aber das Klingeln kam von Romeo. Dann verstummte es; vermutlich hatte sich die Mailbox eingeschaltet. Widerstrebend steckte ich die Hand in seine Jackentasche und förderte einen Schlüsselbund, ein Päckchen Zigaretten und eine Handvoll Lottoscheine zutage. Das Klingeln war erneut zu vernehmen. Seine Jeanstasche. Die Jeans war zerfetzt und hart von getrocknetem Blut. Ich konnte mich kaum überwinden, sie zu berühren, aber dann hielt ich die Luft an und holte das Handy aus der linken Vordertasche.
    »Billy?«, sagte eine scharf klingende Männerstimme.
    »Nein. Wer sind Sie? Wir brauchen Hilfe, einen Krankenwagen.«
    »Wer ist da?« Jetzt klang die Stimme noch schärfer. »V. I. Warshawski«, krächzte ich.
    »Wer sind Sie? Sie müssen Hilfe rufen.«
    Ich versuchte, meinen Aufenthaltsort zu beschreiben: unweit der Mülldeponie, in der Nähe eines Gewässers, vermutlich dem Lake Calumet, aber der Mann unterbrach die Verbindung. Ich rief an und gab meinen Namen und die Ortsbeschreibung durch. Sie würde ihr Bestes tun, sagte die Frau am anderen Ende, aber sie wisse nicht, wie lange es dauern würde.
    »Der Mann ist, glaube ich, tot, aber die Frau atmet noch. Bitte beeilen Sie sich.« Inzwischen war ich so heiser, dass ich keinen dringlichen oder mitleiderregenden Tonfall mehr hinbekam, sondern nur noch mit Mühe die Worte hervorbrachte. Als Nächstes zog ich meinen Mantel aus und legte ihn so über Marcenas Kopf, dass sie noch Luft bekam. Ich wollte sie nicht bewegen und auch keine erste Hilfe versuchen, weil ich nicht wusste, wie schlimm die inneren Verletzungen waren, und ob ich sie womöglich töten würde, indem ich ihr gebrochene Rippen in die Lunge stach oder etwas ähnlich Grauenvolles. Aber ich war der Überzeugung, dass ihr Kopf warm gehalten werden musste; den größten Teil unserer Körperwärme verlieren wir über den Kopf. Meiner war kalt. Ich zog mir das Sweatshirt bis über die Ohren hoch und schlang die Arme um mich.
    Ich hatte Mr. Contreras ganz vergessen. Vor über zwei Stunden hatte ich ihn an der * Street zurückgelassen. Er konnte helfen; vielleicht gelang es ihm, uns zu finden. Und Morrell - ich hätte gleich an ihn denken sollen.
    Als er sich meldete, brach ich zu meinem Erstaunen in Tränen aus. »Ich bin hier irgendwo im Niemandsland, und Marcena ist halb tot«, brachte ich mühsam hervor. »Vic, bist du das? Ich kann dich nicht verstehen. Wo bist du? Was ist los?« »Marcena. Mitch hat sie gefunden, hat mich durch die Sümpfe gezerrt, kann es jetzt nicht erklären. Sie ist fast tot, und Romeo liegt neben ihr, er ist tot, und wenn nicht bald jemand kommt, stirbt sie auch und ich auch. Ich bin so ausgetrocknet und durchgefroren, ich kann es kaum mehr aushalten. Du musst mich finden, Morrell.« »Was ist passiert? Wie bist du auf Marcena gestoßen? Hat man dich angegriffen?« »Kann ich nicht erklären, zu kompliziert. Sie wird nicht überleben, wenn kein Krankenwagen kommt.« Ich wiederholte die dürftigen Ortsangaben.
    »Ich werd auf den Rand von dieser Grube klettern, in der sie liegen, aber ich glaube, es gibt keine Straße in der Nähe.«
    »Ich werd alles tun, was ich kann, Süße. Halt durch, ich lass mir was einfallen.« »Oh - und Mr. Contreras. Er hat uns abgesetzt und ist bestimmt jetzt kopflos vor Sorge.« Ich versuchte, mich an meine Autonummer zu erinnern, aber es wollte mir nicht gelingen. Morrell wiederholte, dass er alles tun würde, was in seinen Kräften stand, und legte auf.
    Mitch lag dicht bei Marcena; auch seine Augen waren glasig vor Erschöpfung. Er hatte aufgehört, ihr das Gesicht zu lecken, dafür den Kopf auf ihre Brust gelegt. Als ich mich an den Aufstieg machte, hob er den Kopf und schaute zu mir auf, rührte sich aber nicht. »Ist gut, mein Junge. Bleib du nur hier. Halte sie warm.«
    Es waren nur knapp drei Meter nach oben. Ich krallte mich in dem kalten Schlamm fest und zog mich den

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