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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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wenn sie für den Zustand des Hauses verantwortlich war oder Bron zur Erledigung dieser Pflichten abkommandierte. Ich hatte kaum geklingelt, als sie auch schon öffnete. Sie starrte mich an, als würde sie mich nicht erkennen. Ihre kaputtblondierten Haare waren schon länger nicht gewaschen oder gekämmt worden und standen wirr vom Kopf ab. Ihre blauen Augen waren blutunterlaufen, und ihr Gesicht wirkte verschwommen, als hätten sich die Knochen unter der Haut aufgelöst. »Hi, Sandra. Es tut mir leid wegen Bron.«
    »Tori Warshawski! Du hast Nerven, jetzt hier aufzukreuzen, zwei Tage zu spät. Dein Mitgefühl interessiert mich einen Dreck. Du hast ihn gefunden, haben die Cops mir gesagt. Und du hast es nicht mal für nötig gehalten, mich anzurufen? Ich hab deinen Mann gefunden, Sandra, bestell einen Sarg, du bist nämlich jetzt Witwe?« Ihre Wut hörte sich bemüht an, als müsse sie sich zwingen, etwas zu empfinden, irgendetwas, und als sei Wut das einzige Gefühl, das sie zuwege brachte, wenn schon nicht Trauer. Ich hätte fast angefangen, mich zu rechtfertigen - die Nacht in den Sümpfen, der Krankenhausaufenthalt -, verkniff es mir aber.
    »Du hast Recht. Ich hätte gleich anrufen sollen. Wenn ich reinkommen darf, erzähle ich dir, was ich weiß.«
    Ich marschierte los, ohne abzuwarten, ob sie mich überhaupt ins Haus lassen wollte, und sie trat unwillkürlich zurück.
    »Er war mit dieser englischen Hure zusammen, nicht wahr?«, fragte sie, als ich im Flur stand. »Ist die auch tot?«
    »Nein. Aber schwer verletzt, so schwer, dass sie nicht reden und der Polizei berichten kann, was passiert ist.«
    »Jaja, wisch dir die Augen, wenn ich >My Heart Cries for You< auf der Geige spiele.« Zu meiner Bestürzung rieb sie Mittel- und Zeigefinger aneinander, wie wir es als Kinder getan hatten, wenn wir sarkastisch waren - ein Floh, der »My Heart Cries for You« auf der kleinsten Geige der Welt spielte, sagten wir immer. »Wie geht es April?«, fragte ich.
    »Oh, sie war Papas Liebling, sie kann es nicht fassen, dass er tot ist, dass er mit dieser Reporterin aus England zusammen war, obwohl sie das schon in der Schule von allen zu hören gekriegt hat.«
    »Bron glaubte, er könne Geld für Aprils Defibrillator auftreiben. Weißt du, ob er das geschafft hat?«
    »Bron mit seinen Ideen.« Sie verzog das Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. »Wollte wahrscheinlich einen Laster voller Fernseher bei By-Smart klauen. Falls der jemals oberhalb seiner Gürtellinie eine gute Idee hatte, ist sie mir nicht zu Ohren gekommen. Uns kann nur eins helfen: wenn er während der Arbeitszeit gestorben ist.« Ihre Bitterkeit war so unerträglich, dass ich etwas länger brauchte, um zu begreifen, was sie meinte. »Oh. Damit ihr seine Versicherung bekommt. Hatte er keine Lebensversicherung?«
    »Zehntausend. Wenn ich ihn unter der Erde habe, sind davon noch siebentausend übrig.« Tränen rannen ihr aus den Augen. »Oh, Dreck, was soll ich nur ohne ihn tun? Er hat mich alle Naselang betrogen, aber was soll ich jetzt tun? Ich kann das Haus nicht behalten, ich kann nicht für April sorgen. Zum Teufel mit dem verdammten Kerl!« Ihr Schluchzen erschütterte ihren mageren Körper so heftig, dass sie sich an die Wand lehnen musste. Ich nahm sie behutsam am Arm und führte sie ins Wohnzimmer. Die gepflegten Möbel waren mit Plastikbezügen abgedeckt. Ich zog den Bezug von der Couch herunter und veranlasste Sandra, sich hinzusetzen.

33
    Glückliche Familien sind alle gleich, unglückliche Familien...
    Das Haus der Czernins hatte denselben Grundriss wie alle Bungalows an der South Side. Ich wusste sofort, wie ich zur Küche fand, weil das Haus meiner Kindheit genauso angelegt war. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen Blick durch die Hintertür zuwerfen, weil ich sehen wollte, ob es hier auch so einen kleinen Schuppen gab wie bei uns. Mein Vater hatte sein Werkzeug dort untergebracht; er konnte fast alles am Haus selbst reparieren. Sogar ein Rad an meinen Rollschuhen hatte er eigenhändig ausgewechselt. Befriedigt stellte ich fest, dass es den Schuppen gab. Er war allerdings weit weniger ordentlich als der meines Vaters. Mein Dad hätte niemals zerschnittene Gummistücke oder ausgefranste Kabel herumliegen lassen. Ich wollte mich gerade auf die Suche nach Tee begeben, als April in der Küchentür auftauchte. Sie hielt den riesigen Bären umklammert, den Bron ihr im Krankenhaus geschenkt hatte. Ihr Gesicht wirkte aufgequollen von den

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