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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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beförderte. Möglich, aber unwahrscheinlich.«
    Der Mann, der Andres wegen der Küche ermahnt hatte, blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr.
    »Ich gehe schon«, sagte ich. »Aber, Pastor, falls Billy sich noch einmal bei Ihnen meldet, sagen Sie ihm, dass er mich oder Conrad Rawlings im Fourth District anrufen soll, falls seine Sorgen wegen seiner Familie etwas mit einem Verbrechen zu tun haben. Das Monster, das dort draußen sein Unwesen treibt, ist ein paar Nummern zu groß für einen Neunzehnjährigen. Und, übrigens: Vielen Dank für die Infos über Fly the Flag.« Diesmal verlor er die Contenance. »Ich habe Ihnen nichts gesagt! Und wenn Sie etwas anderes behaupten, begehen Sie eine schreckliche Sünde, indem Sie falsches Zeugnis ablegen.«
    »Adios.« Ich lächelte und wandte mich zum Gehen.
    Gemächlich schlenderte ich hinaus in der Hoffnung, dass er es sich anders überlegen und mir noch etwas erzählen würde. Die Männer, die vor dem Haus eine Zigarettenpause machten, grüßten freundlich, als ich vorbeiging, aber Andres blieb in seiner Küche.
    Das Haus der Czernins war nur drei Blocks entfernt, und ich legte die Strecke zu Fuß zurück. Es wehte ein kalter Wind; Wolken zogen über den Himmel und ballten sich über dem See. Trotzdem ging ich langsam - zum einen, weil ich nicht gerade versessen war auf die Begegnung mit Sandra Czernin und ihren Wutausbrüchen, zum anderen, weil ich über Andres nachdachte.
    Am liebsten hätte ich den Burschen mit den Füßen an den Dachbalken dieses Hauses aufgehängt und ihn so lange geschüttelt, bis alles aus ihm herausfiel, was er über Billy samt seiner Familie und Fly the Flag wusste. Ich konnte nicht recht glauben, dass Andres das Feuer in der Fabrik gelegt hatte, aber er war unbestritten Elektriker. Er wusste, wo Stromkabel verliefen und wie man bei einer Brandstiftung die größte Wirkung erzielen konnte. Aber ich war mir recht sicher, dass er niemanden töten würde, und konnte mir auch nicht vorstellen, weshalb er eine Fabrik zerstören sollte, die vielen aus der Gemeinde gute Arbeit bot.
    Da ich Andres nicht zum Reden bringen konnte, war es umso wichtiger, Billy aufzuspüren. Der Junge war weggelaufen, nach dem sein Großvater Pastor Andres bei der Gebetsstunde beleidigt hatte; ich ging nicht davon aus, dass Billys Zwist mit seiner Familie mit Bron und Marcena in Zusammenhang stand. Am nächsten Tag war Billy wie immer zur Arbeit gegangen, aber dort geschah dann etwas, das ihn zum Verschwinden veranlasst hatte. Seine Probleme hatten offenbar mit dem By-Smart-Lagerhaus zu tun, nicht mit Fly the Flag. Und zwar vermutlich mit Tante Jacqui, da sie sich als Einzige aus der Familie regelmäßig im Lagerhaus einfand. Selbiges stand also als Nächstes auf dem Programm, sobald ich Sandy Zoltak hinter mich gebracht hatte. Oder vielmehr Sandra Czernin. Trotz meines Schneckentempos war ich nun vor dem Haus der Czernins angelangt, einem Bungalow an der 91", Ecke Green Bay Avenue, schräg gegenüber eines riesigen Ödland-Grundstücks, auf dem einstmals die USX South Works angesiedelt waren. Ich starrte auf die Schutthaufen. In meiner Kindheit, als wir wegen der Rauchschlieren täglich die Fenster putzen mussten, sehnte ich mich nach einem Tag ohne das Stahlwerk, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nun verschwunden sein sollten, diese gewaltigen Hallen, diese kilometerlangen Förderbänder, auf denen Kohle und Eisenerz transportiert wurden, die orangen Funken in der Nacht, an denen man merkte, dass Stahl gegossen wurde. Wie konnte etwas so Monumentales sich in Schutt und Gestrüpp verwandeln? Es war mir unbegreiflich.
    Meine Mutter bestand immer darauf, die unangenehmen Aufgaben zuerst zu erledigen, ob man nun Fenster putzen oder mit Leuten wie Sandra Czernin sprechen musste. Ich fand es sinnvoller, zuerst zu spielen und dann abzuwarten, ob hinterher noch Zeit war für die doofen Sachen, aber nun hörte ich Gabriellas Stimme: Je länger du dich jetzt mit dem Stahlwerk beschäftigst, desto mühseliger wird die Sache, wegen der du hier bist. Ich richtete mich auf und marschierte zur Haustür. Die anderen Häuser in der Straße wirkten trist und heruntergekommen, doch der Bungalow der Czernins hatte einen makellosen Anstrich, und nirgendwo fehlten Bretter. Auch der kleine Vorgarten sah sehr ordentlich aus - am Wegrand wuchsen Chrysanthemen, und der Rasen war für den Winter frisch gemäht worden. Sandra schien jedenfalls einen Teil ihrer Wut produktiv umzusetzen,

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