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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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und Schrecken, die nun panisch von ihm zu mir blickte.
    »Hol ihm ein Glas Wasser«, trug ich ihr auf.
    Ich ging um den Tisch herum und barg Billys Kopf an meiner Brust. Der arme Junge musste miterleben, wie sein Vater zum Mörder wurde. Kein Wunder, dass er sich versteckte. Kein Wunder, dass William hinter ihm her war. Ich zuckte zusammen, als hinter mir jemand sprach. »Ach, du bist's, Victoria. Das hätte ich mir ja denken können, bei dem Krach hier.« In der Tür stand Mary Ann McFarlane.
    44
    Der Aufnahmeengel oder - Teufel
    Mary Ann bot einen merkwürdigen Anblick mit ihrem scharlachroten Schottenkaro-Bademantel und dem kahlen Schädel, aber wir reagierten alle drei sofort auf ihre natürliche Autorität. Billy entsann sich augenblicklich seiner guten Manieren, er sprang auf, trank das Wasser, das Josie ihm reichte, entschuldigte sich bei Mary Ann dafür, dass er sie geweckt hatte. Nach der Begrüßung und meiner Schilderung, wie ich die beiden Flüchtlinge entdeckt hatte, vervollständigte Billy die Geschichte und erzählte, wie sie bei Mary Ann gelandet waren.
    Den Rest der Montagnacht hatten sie unter dem Tisch in der Fabrik zugebracht. Sie waren so verstört und verängstigt, dass sie sich nicht hinauswagten. Beide glaubten, noch mehr Stimmen gehört zu haben, und waren nicht sicher, ob die Fabrik beobachtet wurde. Aber morgens waren sie durchgefroren und hungrig und wagten es zumindest, auf die Toilette zu gehen, die sich im unversehrten Teil der Fabrik befand. Als nirgendwo jemand auftauchte, beschlossen sie, sich rauszuschleichen, wussten aber nicht, wo sie hingehen sollten.
    »Ich wollte Sie anrufen, Coach Warshawski«, sagte Josie, »aber Billy war nicht sicher, ob Sie vielleicht noch für Mr. William arbeiten. Deshalb sind wir hierhergekommen, weil Coach McFarlane auch Julia geholfen hat, als sie schwanger wurde.« Ich täuschte einen linken Haken vor. »Ich dachte, du kennst die Dorrado-Schwestern nicht näher?«
    Mary Ann lächelte grimmig. »Ich wollte, dass die beiden zu dir gehen, Victoria, aber ich hatte versprochen, ihr Geheimnis zu wahren, bis sie zum Sprechen bereit waren. Allerdings war ich in dem Glauben, dass Billy sich versteckt, weil er über die Ethik des Familienunternehmens nachdenken will - ich habe erst jetzt gerade gehört, dass die beiden Zeugen des Mordes an Bron wurden. Hätte ich das gewusst, hätte ich dich quam primum famam audieram angerufen, glaub mir.«
    Wenn Mary Ann aufgeregt ist, fängt sie an, Latein zu reden -das beruhigt sie, aber Arzte und Krankenschwestern haben es etwas schwer damit. Mir gelingt es auch nicht immer, ihr zu folgen, und im Moment war ich auch zu mitgenommen von Billys Bericht. »Du hast gesagt, Marcena hat aus schriftlichen Aufzeichnungen vorgelesen, nicht die Aufnahme abgespielt«, sagte ich zu Billy. »Hast du ihren Recorder irgendwo bei Fly the Flag gesehen?«
    »Wir haben nichts gesehen«, antwortete Josie. »Und Billys Vater hat euch nicht entdeckt?« »Nein, niemand.«
    Jetzt war mir klar, weshalb William so angestrengt nach dem Recorder suchte. Marcenas Computer hatten sie gefunden, doch die Originalaufnahme fehlte ihnen. Aber weshalb suchte er ebenso besessen nach seinem Sohn, von dem er doch gar nicht wusste, dass er Zeuge des Mordes war? Ich fragte Billy, wem er die Geschichte sonst noch erzählt hatte. »Niemand, Ms. War-sha-sky, niemand.« »Du hast auch keine Online-Nachricht an jemand geschickt?« Er schüttelte den Kopf.
    »Was ist mit dem Blog - April sagte mir, dass du über ein Blog mit deiner Schwester in Kontakt bleibst.«
    »Ja, aber nur über Nickname. Candy ist in einer Mission in Daegu in Südkorea. Meine Eltern... mein Vater hat sie dahin geschickt nach der - nach der Abtreibung, damit sie nicht wieder in Versuchung gerät und um sie von dem Weg abzubringen, den sie eingeschlagen hatte. Ich darf ihr nicht schreiben, aber wir schreiben an dieses Blog, es ist Oscar Romero gewidmet, weil er - mein geistiges Vorbild ist. Mein Vater weiß nichts davon, und wenn ich ihr schreibe, benutze ich meinen Blog-Namen, Gruff, aber... «
    Mir lief es kalt den Rücken runter. »Für Billy-the-Kid-Goat's Gruff zweifellos. Hast du ihr das mit Bron und deinem Vater erzählt?«
    Billy blickte auf den Linoleumboden und zog einen Kreis mit der Schuhspitze. »Irgendwie schon.«
    »Carnifice kann deine Blog-Nachrichten über deinen Laptop verfolgen, selbst wenn du die raffiniertesten Nicknames der Welt benutzt.«
    »Aber - ich habe ihr das mit Bron

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