Feuereifer
geschlagen, als wir einen von Milosevics Panzern entdeckten. Es war keiner mehr drin, aber der Motor lief noch - zum Glück, weil ich nicht gewusst hätte, wie man so ein Ding in Gang kriegt -, und irgendwie hab ich es geschafft, dieses Teil bis zur Grenze zu manövrieren.« Ich erwiderte ihr Lächeln - das hätte mir tatsächlich einen Höllenspaß gemacht. Da war wieder so ein Anflug von Neid; Landmaus und Stadtmaus. Meine Abenteuer waren auch nicht grade von der schlappen Sorte, aber eine Fahrt mit einem Panzer durch ein Kriegsgebiet hatte ich nicht zu bieten.
Morrell gab einen kaum merklichen Seufzer der Erleichterung von sich, weil Marcena und ich uns zur Abwechslung zu vertragen schienen. »Und wie war nun der Sattelschlepper im Vergleich mit dem Panzer?«
»Naja, war natürlich nicht so aufregend, weil keiner auf uns geschossen hat - obwohl Bron erzählt hat, dass das manchmal auch passiert. Aber so ein Ding lässt sich schwer steuern; Bron wollte mich nicht damit auf die Straße lassen, und nachdem ich fast so einen Schuppen plattgefahren hatte, musste ich ihm Recht geben.«
Bron. Das war Romeos bürgerlicher Name, der mir nicht eingefallen war. Ich erkundigte mich, ob sie bei den Czernins hatte übernachten können; insgeheim fragte ich mich, ob April die englische Journalistin wohl noch immer anhimmeln würde, wenn sie wüsste, dass ihr Vater mit ihr schlief.
»Kann man so sagen«, antwortete Marcena leichthin.
»Du hast in der Fahrerkabine übernachtet?«, erkundigte ich mich. »In diesen modernen Trucks gibt es ja manchmal regelrechte kleine Wohnungen.«
Sie warf mir ein provokantes Lächeln zu. »Gut geraten, Vic, gut geraten.«
»Glaubst du, dass du an einer Story dran bist?«, warf Morrell rasch ein. »Unbedingt.« Marcena fuhr sich durch ihre üppige Mähne und erklärte, dass Bron ihr Schlüssel zum authentischen Erleben von Amerika sei. »Ich meine, über ihn stoße ich auf alles Mögliche: den sozialen Verfall, diese armen Mädchen, die hoffen, dass sie über den Basketball aus dieser Gegend rauskommen, die Schule und Brons eigene Geschichte - Trucker, der versucht, mit seinem Lohn eine Familie durchzubringen. Seine Frau arbeitet auch, ist bei By-Smart angestellt. Als Nächstes nehme ich mir seine Firma vor, By-Smart, meine ich, für die er fährt. Man hat natürlich schon von denen gehört, die haben den europäischen Einzelhandel in Angst und Schrecken versetzt, als sie vor drei Jahren über den Atlantik gestartet sind. Aber ich wusste nicht, dass der Firmensitz hier in Chicago ist oder zumindest in einem der Vororte. Rolling-irgendwas. Fields, glaube ich.« »Rolling Meadows«, sagte ich.
»Ja, genau. Bron hat mir erzählt, der alte Mr. Bysen sei wahnsinnig frömmlerisch, und zu Beginn jedes Arbeitstages werde erst mal gebetet in der Zentrale. Könnt ihr euch das vorstellen? Das ist doch total viktorianisch. Ich muss das unbedingt sehen. Ich werd versuchen, mir da oben einen Interviewtermin zu organisieren.«
»Vielleicht könnte ich dich begleiten.« Ich berichtete ihr von meinem Vorhaben, das Unternehmen als Sponsor für das Basketball-Team zu gewinnen. »Billy the Kid verschafft uns vielleicht einen Gesprächstermin bei seinem Großvater.«
Dafür wurde mir ein begeistertes Lächeln zuteil. »Oh, Vic, das wäre super, wenn das klappt.«
Wir beschlossen den Abend in recht entspannter Stimmung, was ein Segen war, aber ich schlief trotzdem schlecht. Morgens stand ich früh auf, als Morrell noch schlief, und fuhr zu mir, um einen ausgedehnten Lauf mit den Hunden zu machen, bevor ich mein Tageswerk begann. Heute war wieder Training, und danach hatte ich Josie Dorrado versprochen, mit ihrer Mutter zu sprechen.
Die Hunde und ich rannten bis zur Oak Street und wieder zurück, insgesamt an die elf Kilometer. Wir brauchten die Be wegung alle drei, und ich fühlte mich viel besser, allerdings nur, bis Mr. Contreras, mein Nachbar von unten, mir mitteilte, ich sähe angeschlagen aus.
»Dachte, wenn Morrell wieder da ist, würden Sie munterer werden, Herzchen, aber Sie sehn schlimmer aus denn je. Sie gehen mir nicht aus dem Haus, bevor Sie nicht anständig gefrühstückt haben.«
Ich versicherte ihm, es gehe mir wirklich prima, seit Morrell wieder zu Hause und auf dem Weg der Besserung war, ich sei nur momentan etwas überarbeitet, bis ich jemanden für die Mädchen an der Bertha Palmer gefunden hätte. »Und wie gehen Sie das an, Herzchen? Haben Sie schon jemanden an der Hand?« »Ich hab
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