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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schenkeln reichte. Vielleicht hatte sie die Überkniestiefel und die dicke Strumpfhose angezogen, um die Lücke zwischen ihrem Minirock und der Entrüstung von Buffalo Bill oder ihrer Schwiegermutter zu schließen. Der Effekt war jedenfalls spektakulär genug, um die steigende Spannung durch Pastor Andres zusehends dramatischere Predigt kurz zu unterbrechen. Ein vierter Mann mit der wuchtigen Statur eines Ex-Polizisten bildete das Schlusslicht. Vermutlich Buffalo Bills Bodyguard. Ich fragte mich, ob sie selbst gefahren waren oder ob noch jemand draußen im Bentley saß. Vielleicht verfügten sie auch über ein Spezialfahrzeug für die South Side, einen martialisch gepanzerten Hummer oder etwas in der Art.
    Bysen bemerkte mich nicht, als er sich zwischen den Leuten im Mittelgang hindurchdrängte. Er sichtete eine halb leere Bank weiter vorne, ließ sich dort nieder, ohne abzuwarten, ob der Rest seiner Entourage folgte, legte die Hände auf die Knie und starrte erbost nach vorne auf Pastor Andres. Jacqui und Gary setzten sich in die Bank dahinter, aber Mr. William schob seine Mutter auf den Platz neben seinem Vater. Der Bodyguard bezog Stellung an der Wand neben der Kirchenbank, wo er die Gemeinde im Auge behalten konnte.
    Der Priester ließ sich nicht beirren; vielleicht hatte er Bysens Ankunft in dem Getümmel der tanzenden, singenden und Jesus anrufenden Menschen gar nicht bemerkt. Seine Stimme wurde beschwörender.
    »Si hay un criminal entre nosotros, si el es suficientemente fuerte para dar un paso adelantey confesar suspecados a Jesus, los brazos de Jesus, lo sacarän adelante...« Andres stand auf dem Podium wie der Prophet Jesaja, mit flammenden Augen und lauter Stimme. Die Gemeinde geriet in eine Ekstase, der auch ich mich nicht entziehen konnte. Er wiederholte die Worte so laut und emphatisch, dass auch ich alles verstand:
    »Wenn ein Verbrecher unter uns weilt, wenn er stark genug ist, sich zu bekennen und Jesus seine Sünden zu beichten, sind Jesus' Arme stark genug, um ihn hochzuheben. Jesus wird ihn tragen. Kommt zu mir, ihr alle, die ihr schwer arbeitet und mühselig und beladen seid, dies sind die Worte eures Erlösers. All ihr Mühseligen und Beladenen, werft eure Lasten ab - entreguemelas de Jesus, denselas a Jesus, vengan a Jesus - gebt sie Jesus, bringt sie Jesus, kommt zu Jesus!« »Vengan a Jesus!«, rief die Gemeinde. »Vengan a Jesus« Das Harmonium spielte lauter, drängender, wilder. Eine Frau stolperte durch den Mittelgang nach vorne und warf sich Andres weinend zu Füßen. Die Männer neben Andres standen auf und beteten laut mit über ihr erhobenen Händen. Dann lief eine weitere Frau nach vorne und brach neben der ersten zusammen, kurz darauf ein Mann. Die Band spielte etwas mit Disco-Beat, der Chor sang, wiegte sich, sang immer lauter. Sogar Billy war nun in Bewegung geraten. Und die Gläubigen riefen ständig: » Vengan a Jesus! Vengan a Jesus!«
    Der Gefühlsansturm bedrängte mich. Mein Herz hämmerte, ich schwitzte und hatte Mühe zu atmen. Als ich gerade dachte, ich könne es nicht mehr aushalten, brach eine Frau in meiner Bank zusammen. Mühsam rappelte ich mich auf, um ihr zu helfen, obwohl mir selbst schwindlig war, aber zwei Frauen in Schwesternuniform kamen angelaufen mit Riechsalz, das sie der Frau unter die Nase hielten. Als sie sich wieder aufrichten konnte, führten die beiden sie nach hinten und halfen ihr, sich in einer freien Bank hinzulegen. Als ich sah, dass sie der Frau ein Glas Wasser reichten, ging ich nach hinten und bat auch um eines. Die Schwestern wollten mich mit ihrem Riechsalz behandeln, aber ich sagte ihnen, ich brauchte nur Wasser und frische Luft, worauf sie mir einen Platz auf der Bank anboten: Ich war schwach genug, um zu den Erlösten zu gehören. Als ich nach einer Weile glaubte, mich aufrecht halten zu können, ging ich nach draußen - ich brauchte dringend kalte Luft und Stille.
    Ich lehnte mich an die Kirchentür und rang um Atem. Am Bordstein stand mit laufendem Motor ein Cadillac von der Größe einer mittleren Yacht. Bysens Chauffeur saß am Steuer, einen Fernseher oder vielleicht auch einen DVD-Player vor sich auf dem Armaturenbrett. Der Caddy war in dieser Gegend wenn möglich noch auffallender als der Bentley, aber ich rechnete nicht damit, dass irgendwelche verkommenen Subjekte am Sonntagnachmittag vor einer Kirche eine Yacht überfallen würden. Ich blieb vor der Tür, bis ich in meinem Rock halb durchgefroren war und mir die Zähne

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