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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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uns steht eine Ewigkeit zur Verfügung, um über das Universum zu reden und nachzudenken.“
    „Ohne aber ein Teil davon zu sein“, entgegnete Luna kühl.
    „Wieso sollte das, was wir hier haben, weniger ein Teil des Universums sein als die Oberwelt oder jede mögliche zukünftige Welt? Leben und Freiheit bestehen im Denken. Wo sonst bestehen Dinge?“
    „Ich möchte Dinge riechen und Dinge essen und wirkliche Dinge sehen“, murmelte Luna ärgerlich.
    „Hier kommen wir zu unserem ureigensten Wesen“, erklärte ihr Dante.
    „Ich bin hier alles andere als mein ureigenstes Wesen“, murmelte Luna.
    „Das liegt daran, dass du nicht akzeptiert hast, was du bist. Mit der Zeit wird dir das gelingen, und dann wirst du vollkommenen Frieden kennen lernen.“
    Greif sagte nichts, aber er dachte über das, was Dante gesagt hatte, nach.
    Er war dieses Reisen so satt, hatte genug davon, immer Angst zu haben. Angst zu sterben. Angst vor allem. Was für eine Erleichterung wäre es doch, einfach aufzuhören, Angst zu haben. Seine Gedanken frei zu machen von all diesem Könnte und Dürfte und Würde, die wie ein dauernder Hagel auf ihn herabprasselten.
    Er blickte sich im Inneren des steinernen Turms um und sah Fledermäuse, die zufrieden in kleinen Gruppen lagerten, Männchen und Weibchen und Jungtiere, ganz wie Familien.
    „Der Tod ist hier nichts Furcht Erregendes“, erklärte ihm Dante. „Ein Wimpernschlag. Kein Schmerz. Und dann eine Ewigkeit in Frieden.“
    „Es wird ihm wieder besser gehen“, sagte Luna kurz angebunden. „Er braucht nur noch etwas Schlaf.“
    „Seine Wunden werden nicht heilen“, erwiderte Dante. „Meine sind nicht geheilt.“
    „Ihm wird es besser gehen“, insistierte sie.
    Dante schenkte ihnen ein wohlwollendes Nicken. „Ihr könnt gerne bleiben, so lange ihr wollt.“
    „Wird nicht lange dauern“, murmelte Luna.
    Greif war todmüde und die Kälte war anscheinend aus der Wunde tiefer in seinen Körper gedrungen. Bei jedem Herzschlag tat es ihm weh.
    Wieder glitt ein Blutstropfen aus seinem Fell, fiel auf den steinernen Sims und funkelte, bevor er zischend verschwand. Mit einer ruhigen schrecklichen Gewissheit wusste er, er würde sterben, wenn er nicht bald aus dieser Unterwelt entkäme. Aber war der BAUM überhaupt ein wirkliches Entkommen?
    Alles, was er im Augenblick brauchte, war das Vergessen, das der Schlaf schenkt.
    Er schreckte hoch, öffnete die Augen und erblickte Luna neben sich.
    „Bin ich ...“
    „Keine Angst“, sagte sie und wirkte richtig erleichtert. „Du bist noch am Leben. Aber wir sollten jetzt aufbrechen.“
    „Kann ich nicht noch ein bisschen weiterschlafen?“
    „Du hast schon eine ganze Weile geschlafen.“ Luna wandte den Blick von ihm ab und seufzte, dann sagte sie: „Greifchen, du siehst nicht besonders gut aus.“
    „Sollte ich darüber erstaunt sein?“
    „Dein Leuchten.“
    „Was ist damit?“
    „Es lässt nach. Als du geschlafen hast, war es fast ... vielleicht hat es nur an mir gelegen, aber es hat sich immer wieder ein wenig von deinem Körper entfernt wie neulich, als die Fledermäuse dich angegriffen haben.“
    „Oh“, sagte er benommen.
    „Komm schon, Greifchen, steh auf!“
    Der BAUM. Nur noch eine letzte Etappe. Und was wäre, wenn sie überhaupt nirgendwo hinführte oder irgendwohin, wo es noch schlimmer war? Er erinnerte sich an das riesige brennende Bild in Friedas Karte. Wenn er hineinging, würde er vielleicht nur zu Asche verbrannt.
    Er betrachtete all die anderen Fledermäuse, die zufrieden in ihrem Steinturm lagerten, sich gegenseitig pflegten und miteinander sprachen. Hier konnten sie sich für immer unterhalten. Er mochte Unterhaltungen. Er war gut darin. Luna hatte das gesagt. Er würde gut hierher passen.
    „Glaubst du, mein Vater ist überhaupt noch am Leben?“, fragte er Luna.
    „Wenn er es ist, wird er es schaffen hinauszukommen. Wenn er tot ist, können wir auch nichts daran ändern. In jedem Fall würde er wollen, dass du hinauskommst.“
    Aber Greif wusste, es gab noch etwas anderes, was ihn zurückhielt.
    „Vielleicht sollte ich bei dir bleiben“, sagte er verzweifelt.
    „Was meinst du damit? Ich bleibe nicht hier!“
    „Es ist einfach nicht fair, wenn ich nach Hause gehe und du nicht.“
    „Aber, Greifchen, das ist doch Unsinn!“
    „Was hältst du davon?“, fragte er sie, und die Worte flossen fast schneller aus ihm heraus als seine Gedanken. „Ich sterbe hier, dann gehen wir zusammen, okay? In den BAUM.

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