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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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wahrscheinlich noch mehr an den anderen Ruheplätzen.
    Freiwillig blieben sie in der Unterwelt?
    Dante musste lachen. „Ich nehme an, dich reizt diese Vorstellung nicht.“
    „Aber der BAUM ...“ Verwirrt schaute er Luna an. War es möglich, dass Dante nicht wusste, dass der BAUM einen Eingang in eine neue Welt darstellte?
    „Wir wissen, dass sich von den Toten viele lieber in den BAUM begeben“, sagte Dante, „und wir wünschen ihnen alles Gute. Wir aber ziehen es vor, dies hier zu unserem Zuhause zu machen.“
    „Aber ich dachte, wir alle sollten dahin gehen“, sagte Luna. „Das hat Frieda jedenfalls gesagt.“
    „Ja, wir kennen Frieda gut, und auch die hunderte von anderen pilgernden Ältesten, die vor ihr ihre Botschaft in der Unterwelt verbreitet haben.“
    „Ihr glaubt ihr nicht?“, fragte Greif. Ein eisiger Zweifel begann, durch ihn zu kriechen.
    Dante wandte gedankenverloren den Blick ab. „Das wird euch jetzt schrecklich vorkommen. Aber von unserem höchsten Turm im Tal kann ich das Glühen des BAUMS sehen, und glaubt mir, ich habe das angestarrt und viel darüber nachgedacht in den Jahrhunderten, die ich nun schon hier bin. Wir haben zahllose Fledermäuse über den Himmel dorthin strömen sehen und mit vielen gesprochen und den meisten auf Wiedersehen gesagt und ein paar auch dauerhaft bei uns willkommen geheißen. Tatsachen sind alles, worauf ich mich verlasse. Und es ist eine Tatsache, wenn eine Fledermaus erst einmal den Baum betritt, kommt sie nicht wieder heraus.“
    „Weil sie in die neue Welt gehen“, meinte Luna ungeduldig.
    „Vielleicht. Aber woher willst du das wissen? Du kannst es glauben. Aber du weißt es nicht.“
    Greif rutschte unwohl hin und her. Seine Schulter und der Flügel pochten. Dante hatte Recht. Nicht einmal Frieda konnte ihm sagen, was sie auf der anderen Seite des BAUMS erwartete.
    „Wir alle sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass Nocturna sich um uns kümmert“, sagte Dante. „Wir haben sie nie gesehen, sie hat nie zu uns gesprochen. Wir haben angenommen, dass sie gut und gütig war und für unser Wohlergehen gesorgt hat, aber wer kann das genauer wissen? Und wenn sie schon existiert, wer weiß, was sie für uns im Tod vorgesehen hat? Vielleicht ist ja das, was uns jenseits des BAUMES erwartet, schlimmer als dieser Ort.“
    „Unmöglich!“, rief Greif.
    Dante neigte nachdenklich den Kopf. „Du könntest Recht haben. Vielleicht enthält der BAUM eine Welt, die so märchenhaft ist, dass sie unsere Vorstellungskraft übersteigt. Aber es könnte auch ein Ort des endgültigen Todes sein, der jede Bewegung, jeden Gedanken, jedes Bewusstsein auslöscht.“
    Greif schauderte bei dem Gedanken an den schrecklichen Fluss des Schweigens.
    „Was der BAUM enthält, ist eine Frage, die wir nie beantworten können“, sagte Dante. „Während wir sehr genau wissen, was wir hier haben. Und wir sind glücklich damit.“
    „Seid ihr das?“, fragte Luna nach.
    „Als ich gestorben bin, habe ich zuerst genauso empfunden wie ihr. Aber ich habe Jahre damit verbracht, in dieser Welt herumzureisen, und sie hat ihre Schönheiten. Vielleicht nicht die gleiche Art, wie wir sie einst gekannt haben. Aber es ist trotzdem ein Ort der Wunder. Die Sandmeere, der Wasserfall, durch den ihr gekommen sein müsst, um unser Tal zu erreichen, das blendende Schauspiel der Sterne, das Leuchten dieser Felsformationen, die wir uns als Aufenthaltsort gewählt haben. Aber das sind nicht die hauptsächlichen Gründe, warum wir uns zum Bleiben entschlossen haben. Uns allen hier ist eins gemeinsam: Wir sind zufrieden mit unserem Tod.“
    Greif blickte Luna verständnislos an. Wie konnte nur jemand glücklich sein, wenn er tot war? Das war doch das Schlimmste, was sich denken ließ.
    „So merkwürdig es auch erscheinen mag“, erklärte Dante, „aber mit dem Tod kommt auch der Tod der Angst. Angst ist der größte Tyrann in unser aller Leben. Sie macht uns habgierig, selbstsüchtig, gewalttätig. Hier brauchen wir uns keine Sorgen wegen der Nahrung zu machen oder wegen der Elemente oder wegen irgendwelcher Raubtiere.“
    „Und was ist mit den Vampyrum?“, fragte Luna.
    „Hier belästigen sie uns niemals. Die Passage durch den Wasserfall schließt uns ein und sie scheint uns zu beschützen. Oder vielleicht haben wir auch nur Glück und man hat uns vergessen. Wir sind jedenfalls vollkommen uns selbst überlassen, und uns fehlt nichts. Das Beste ist, wir haben uns gegenseitig als Gesellschaft und

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