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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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ihn war, bedeutete nun alles, was er verloren hatte: den Geruch der lebendigen Welt, und er sog ihn ein, als wäre er der Duft von Geißblatt, das Aroma des Fells seiner Mutter.
    Geh nicht weg, dachte er, geh nicht.
    Er musste weitersuchen. Aber mit einem Knirschen gaben seine Knie nach und er fiel, wurde boshaft zur Erde gesogen. Er breitete die Flügel aus, kämpfte gegen die Anziehung an, versuchte, sich wieder zurückzulenken zum Krater mit dem Wald. Wo konnte man sonst hin? Auf allen Seiten war nur Wüste, die sich bis zu den Enden dieser schrecklichen toten Welt erstreckte.

–7–
Der Stollen
    Ohne Nacht und Tag, Mond oder Sonne konnte man unmöglich festhalten, wie die Zeit verging, und Goth hatte keine Idee, wie lange er sich über die geborstene Oberfläche der Ebene geschleppt hatte. Schließlich schaffte er es, sich nach vielen vergeblichen Versuchen in die Luft zu erheben, nur für ein paar Sekunden, ehe der Boden ihn wieder nach unten zog. War er einfach schwach oder war die Erdanziehung hier stärker als ... als wo? Wo er sich früher befunden hatte?
    Und so machte er weiter, hoffte, dass er sich in einer geraden Linie bewegte und dass er endlich irgendetwas erreichen würde – oder jemanden, der ihm diese merkwürdige Welt erklären konnte. Wenn er tatsächlich tot war, dann war dies das Land der Toten, die Unterwelt von Cama Zotz. An so viel konnte er sich wenigstens erinnern, an den Namen seines Gottes. Er hatte allerdings immer angenommen, dass die Unterwelt von Toten wimmeln würde. Wo waren sie?
    Und wo war Zotz?
    Ein Geflatter von Flügeln erregte seine Aufmerksamkeit und er rief „Halt!“, aber die Fledermäuse, vielleicht ein Dutzend, setzten ihren Flug über die Ebene fort, ohne sich um seine Rufe zu kümmern. Wut kochte in ihm hoch. Er wäre hinter ihnen hergeflogen, hätte ihnen den Hals gebrochen für ihre Frechheit, aber seine Glieder waren noch zu schwach. Würde er sich immer so fühlen?
    Weiter und weiter stolperte und flog er, Stunden oder Nächte lang, bis er schließlich sah, dass das Land nahe vor ihm abzufallen schien. Er hoffte, nun einen Aussichtspunkt zu erreichen, eilte vorwärts und kam an den Rand der Wüste, wo die Erde einfach steil abstürzte und eine Klippe bildete. Goth starrte lange hinunter, seine Augen funkelten von dem zurückgeworfenen Glanz dessen, was er erblickte.
    Da lag ein See und in dem See eine Insel und auf der Insel erhob sich eine Stadt prächtiger, als er je eine gesehen hatte.
    Spontan warf er sich von der Klippe hinab, die Flügel hatte er zu ihrer vollen Spannweite von einem Meter ausgebreitet. Ein paar Sekunden lang fiel er nur, bevor seine Flügelschläge kräftig genug wurden, um ihn aus seinem Sturz herauszutragen. Blendendes Sternenlicht ließ die friedliche Wasseroberfläche funkeln, als er einen Kurs zur Insel einschlug. Ein dichter Regenwald wuchs den steilen Küstensaum entlang und Goth lachte froh über die anschwellende Kakophonie aus den Schreien von Tukanen, Aras und Klammeraffen.
    Die ganze Insel stieg zur Mitte hin zu einer Plattform an, und aus der Entfernung sah die auf ihr erbaute Stadt wie eine einzige leuchtende Pyramide aus. Goth flog näher heran und konnte erkennen, dass sie sich in Wirklichkeit aus zahllosen Gebäuden aus hellem Stein zusammensetzte, wunderbar glatt und leuchtend im Glanz der Sterne. In der Mitte der Stadt erstreckte sich ein riesiger Platz mit Juwelen als Bodenplatten, flankiert von Pyramiden, jede höher und prächtiger als die vorhergehende. Sie alle wurden jeweils von einer riesigen Tafel bekrönt, die das Bild einer majestätischen Fledermaus mit offenem, gezacktem Maul trug, mit hungrig ausgestreckter Zunge, mit nach oben wie ein Dorn gereckter Nase. Cama Zotz, wusste Goth instinktiv.
    Dekorative Teiche säumten den Platz, mit hohen Geysiren, die rhythmisch dampfendes Wasser ausstießen. Was für ein großartiger Ort das war, dachte Goth. Glich dies dem Ort, von dem er selber kam? Er hatte etwas Vertrautes: die Pyramiden, den Regenwald, die Schreie der Tiere. Aber sicher konnte nichts anderes so prächtig sein wie dies hier.
    Goth hörte die Fledermäuse, bevor er sie sah. Eine Explosion von Flügeln wie ein Donnerschlag ging ihnen voraus, als sie von den Pyramiden hervorbrachen. Es mussten Millionen sein, wie eine einzige Schlange mit vielen Köpfen, die sich dunkel durch die Luft und hinein in den Dschungel ringelte, um zu fressen. Goth war noch hoch in der Luft, zu hoch, um von ihnen bemerkt zu

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