Feuerflügel: Roman (German Edition)
zurück in den Spalt hinauf. Der Wind kreischte auf ihn herab, riss ihm beinahe den Kopf ab. Weit, weit oben und entfernt war Marina, waren der Baumhort und seine Welt. Es schien undenkbar, dass es eine Verbindung gab zwischen dem Hier und seinem Zuhause.
Er musste den Spalt irgendwie markieren, um ihn wiederzufinden, wenn er Greif hätte. Er räusperte sich, um die Kehle frei zu bekommen, schloss die Augen und sandte einen Schrei zum Rand des Tunneleingangs. Der Klang traf den Stein im richtigen Winkel und prallte zwischen den beiden Seiten hin und her, aber der heftige Wind saugte die Echos sofort auf.
Entmutigt ließ er sich vom Fels fallen, um einen genaueren Blick auf alles zu werfen. Die Mineralbrocken sahen wirklich wie Sterne aus, wenn man sich erst einmal etwas weiter entfernte.
Also benutze sie als Sterne! Er suchte seinen Spalt und prägte sich die kleine Konstellation um ihn herum ein – sieben Sterne, die grob in einem Kreis angeordnet waren. Behalte das im Gedächtnis! Wie er und Greif sich ihren Weg zurück diesen Schacht hinauf krallen würden, das war eine andere Frage, eine, über die er jetzt nicht weiter nachdenken wollte.
Greif.
Er stellte die Ohren auf und horchte nach seinem Sohn. Er ging in der Zeit zurück durch den hellen Dunst der Stille, bis ...
Er schnappte gerade noch eine gespenstische Spur von Bewegung auf, eine Form, die ein Flügel sein konnte, ein Kopf, ein Paar in Panik ausgestreckter Krallen, die durch den Spalt taumelten.
Aber dann löste sich dieses Bild wieder auf wie Nebel, der von einer Brise zerstreut wird.
„Nein ...“, murmelte Schatten, als er kurvte und nach den zerstreuten kleinen Klangsplittern tauchte. Die letzten prickelnden Tonstäubchen lösten sich auf. Schatten kreiste, verzweifelte, als er auf die Welt tief unter sich schaute.
Wo soll ich nur anfangen?
Fang einfach an.
Er versuchte, sich seinen kleinen Sohn vorzustellen, wie er in diese fremde Welt ausgespuckt wurde, schwach vor Angst – und spürte, wie seine eigenen Muskeln mit ihm leidend schwächer wurden, während er in Spiralen hinabflog und gegen die Anziehung der Erde ankämpfte.
Wäre Greif in der Lage gewesen, eine ordentliche Landung hinzubekommen?
Vielleicht war er irgendwo abgestürzt und nun verletzt, bewusstlos ... tot.
Schatten blickte nach unten, versuchte, einen geeigneten Platz zu finden: Wald, Höhlen, Bäume, alles, was eine ängstliche Fledermaus anziehen würde. Er selbst war noch zu hoch, um Klang zu benutzen, und mit den Augen konnte er nur dunkle Schatten unter sich erkennen.
Du hast nur zwei Nächte!
Noch tiefer, und er sah, dass sich jetzt eine trockene, löchrige Ebene vor ihm erstreckte. Keine Bäume, wenig Vegetation und keine Art von Tieren auf dem Boden. Schnell suchte er den Himmel nach Vampyrum ab, entdeckte aber nichts, nicht einmal das Klangflackern eines Moskitos. Dieser Ort war so unwirtlich, vielleicht hatte er nie Bewohner gekannt.
Aber wo waren sie, fragte er sich unruhig, all die Bewohner der Unterwelt? Wo waren die Milliarden Toten des Cama Zotz?
Und wo war sein Sohn? Greif würde hier nicht bleiben. Er würde weiterfliegen und versuchen, einen Ort mit Nahrung und Unterkunft zu finden, mit Bäumen, auf denen er sich niederlassen konnte. Oder verstecken. Würde er sich irgendwo verbergen und einfach warten ... aber worauf? Er würde versuchen hinauszukommen. Vielleicht hatte er sich schon bemüht, es zurück zur Decke zu schaffen, war aber nicht stark genug.
„Greif!“, rief er. Er zuckte zurück vor dem Geräusch, fast erwartete er einen Donnerschlag von Kannibalenfledermäusen, die ihm entgegenbrodelten. Die Vorstellung, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, gefiel ihm nicht, aber was konnte er sonst tun?
„Greif Silberflügel!“
Seine Stimme kam als Echo von der flachen Erde zurück und verklang dann. Er blickte über den Flügel nach oben und fand den Kreis der Sterne, der seinen Fluchtweg markierte. Er schien weiter über den Himmel gewandert zu sein, und ihm wurde klar, dass sich entweder die Erde drehte oder der Himmel. Er verlor den Mut. Das bedeutete, Greif war nicht notwendigerweise in dieser Gegend heruntergekommen. Er könnte sich genauso gut auf der entgegengesetzten Seite der Welt befinden.
Macht nichts. Mach weiter!
Das war kein guter Plan. Es war fast überhaupt kein Plan. Aber er hatte Angst davor, anzuhalten und nachzudenken, Angst davor, weitere wertvolle Zeit zu verlieren. Er wünschte, Marina wäre jetzt bei ihm, um ihm
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