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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Decke und stieß sein Maul gegen den Fels.
    „Los! Grab!“
    Goth hatte keine Wahl. Er entblößte seine oberen Reißzähne, neigte sich nach hinten und stieß mit den Zähnen vor, um vom Fels Splitter abzuschlagen. Das Gestein war sehr fest und jeder Hieb sandte einen Blitzschlag an Schmerz durch die Zahnwurzeln in seinen Schädel. Sein Maul füllte sich mit Sand und Geröll und er spuckte aus.
    „Das nächste Mal nimmst du einen Stein“, sagte Phönix. Über die Schulter fügte sie hinzu: „Ich beobachte dich.“
    Um ihn herum arbeiteten die Fledermäuse in grimmigem Schweigen. Das Stakkato-Klicken von Stein auf Stein hallte durch den Schacht. Die gleichförmige Arbeit versetzte ihn in einen traumähnlichen Zustand. Wie lange hatten sie schon daran gearbeitet, diesen Schacht zu bauen? Wohin sollte er führen? Die ganze Strecke zur Oberwelt? Sicher würde es Millionen von Jahren dauern, eine nennenswerte Strecke voranzukommen, selbst mit tausenden von Fledermäusen an der Arbeit.
    Er verlor jedes Gefühl für die Zeit, dann spürte er ein Zerren am Knöchel. Sein Arbeitstrupp begann mit dem Abstieg. Es war äußerst schmerzhaft, den Halt an der Decke zu lösen, so lange hatte er seine Klauen zusammengekrallt. Er hustete und spie Geröll aus. Als die Kette die lange Steinbrücke passierte, spuckte jede Fledermaus ihren Haustein aus. Während Goth vorbeihumpelte, schenkte ihm der Wächter ein grimmiges Grinsen.
    Der Abstieg war möglicherweise noch mühseliger, als der Aufstieg gewesen war. Goth war jetzt viel müder, und die gewaltige Schwerkraft der Unterwelt machte es nötig, heftig mit den Schwingen zu schlagen, nur um mit geblähten Flügeln den Fall abzubremsen. Auf halbem Weg nach unten kamen sie an einer anderen Mannschaft vorbei, die zu ihrer Schicht zurückkehrte. Ein Krampf von Panik, fast wie ein holpernder Herzschlag, peinigte Goths Brust. War dies das Nachleben, das ihn erwartete, dieses gedankenlose, sich ewig wiederholende Herumkratzen?

–8–
Abstieg in die Unterwelt
    Es war nicht so, als ob er fiele.
    Es war, als würde er von einem riesigen Tier eingeatmet. Schatten taumelte durch den engen Tunnel, wurde vom Gestein verbrannt, der Geruch seines versengten Fells stach ihm in die Nase. Weit, weit unten entdeckte er einen kleinen ausgefransten Lichtfleck. Er stürzte immer schneller drauf zu, konnte kaum Luft durch die Nasenlöcher schnappen. Seine Ohren wurden flach an den Kopf gepresst, die Augen schloss er aus Angst, sie könnten ihm aus den Höhlen gerissen werden. Die Flügel legte er an, faltete den Körper schmal zusammen und wappnete sich gegen das, was ihn erwartete.
    Land der Toten.
    Würde er sterben, sowie er die Schwelle überschritt? Würde es da Luft geben?
    Vor seinem inneren Auge blitzten verzweifelte Bilder auf. Eine Höhle, in der es von Millionen von Kannibalen-Fledermäusen wimmelte. Cama Zotz, der seine schattenhafte Gegenwart durch die Luft schlängelte. Und irgendwo da unten sein Sohn ...
    Draußen.
    Schatten wusste es sofort. Es war eine Empfindung aus dem Bauch, welche er von Raum und Klang hatte, die sich um ihn herum öffneten. Er lebte noch, atmete noch: Es gab Luft. Zumindest eine Legende war also falsch. Langsam breitete er die Flügel aus, kämpfte an gegen den monströsen Zug nach unten. Es fühlte sich an, als trüge er einen großen Stein in jeder Klaue.
    Er fing den Flug ab und kreiste, schaute nach unten und sein Magen drehte sich um. Dies war keine Höhle. Tief unter ihm befand sich eine ganze Welt, drehte sich wie ein kleiner Planet tief im Inneren der Erde.
    Wie soll ich ihn da jemals finden?
    Er blickte zurück zur Felsendecke, gewaltig wie der Himmel. Sie war durchsetzt von großen Einschlüssen aus leuchtendem Gestein, die ein kräftigeres Licht warfen als die wirklichen Sterne. Schatten flog näher an sie heran. Er wusste, er musste das Loch finden, durch das er gekommen war.
    Seinen Eingang. Seinen einzigen Ausgang.
    Er überhäufte das Gestein mit Klang. Dieser ganze Fels über ihm, all dieses Gewicht, das hier versammelt war, das da hing und darauf wartete, ihn wie eine Mücke zu zerdrücken. In seinem Echo-Sehen erschien ein schmaler Spalt aus Dunkelheit in dem strahlenden Silber des Himmels. Unter Anstrengungen flog er auf ihn zu, drehte sich kopfüber und bohrte die Krallen tief in das Gestein. Seine Flanken zitterten.
    Das unirdische Licht eines Klumpens phosphoreszierenden Minerals badete ihn und färbte sein Fell gespenstisch weiß. Er schaute

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