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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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helfen, den Weg anzutreten, aber die Reise müsst ihr selber machen. Ihr müsst zum BAUM ziehen.“
    Zum BAUM? Greif erinnerte sich an den Schock in Coronas Miene, als sie irrtümlicherweise geglaubt hatte, dieser BAUM wäre sein Zuhause. Wo befand sich dieser BAUM und was hatte er so Besonderes – und Ängstigendes – an sich?
    „Wir haben alles über diesen BAUM gehört!“, sagte Corona, indem sie sich von den Wipfeln löste und um die Pilger herumflatterte. „Es ist ein Ort der Qualen. Keiner, der in den BAUM geht, kommt je wieder heraus! Der BAUM verbrennt euch, frisst euch auf! Er tötet euch!“
    „Nein“, sagte die Pilgerin entschieden. „Er tut das Gegenteil. Diese lächerliche Nachahmung eines Waldes ist der Tod. Dies sind keine richtigen Bäume. Schaut sie euch an. Dies sind keine Blätter, wie wir sie gekannt haben! Und wo sind die Sonne und der Mond? All die Dinge, die wir einst gehabt haben? Denkt zurück! Denkt an das, was vor diesem Ort gewesen ist!“
    „Du bist diejenige, die sich täuschen lässt“, entgegnete Corona. „Hör dich doch selber an! Wie können wir tot sein. Wir fliegen, wir jagen, wir denken, wir sprechen. Du tust mir Leid, aber du bist hier nicht willkommen, wenn du Angst und Lügen verbreitest!“
    „Nocturna hat uns den BAUM gegeben als einen Weg zu neuem Leben. Wir sollen durch diesen Ort hier nur hindurchgehen und den BAUM erreichen.“
    Greif nickte eifrig für sich, ermutigt durch die Erwähnung von Nocturna. Seine Mutter hatte ihm ein wenig von ihr erzählt und von ihrem Versprechen, Fledermäuse würden das Tageslicht wiedergewinnen. Das hatte sich bewahrheitet.
    „Die, die ihr mitkommen wollt, folgt uns!“
    Greif sah, wie zwei Silberflügel aus der Oase hinausflogen, um sich den Pilgern anzuschließen. Sie wirkten verwirrt und ziemlich ängstlich.
    „Kommt zurück!“, rief Corona ihnen nach. „Ihr Dummköpfe, sie führen euch in den Tod!“
    Die beiden zögerten, kehrten aber nicht um. Ein dritter Silberflügel flog ins Freie hinaus, gefolgt von einem weiteren, bis sich vielleicht ein Dutzend den kreisenden Pilgern angeschlossen hatte.
    „Willkommen, willkommen!“, begrüßte sie die Anführerin der Pilger warm. Dann wandte sie den Blick zurück zu Corona und den anderen, die in den Baumwipfeln herumlungerten, und sagte: „Denkt darüber nach, was ich euch gesagt habe. Ich werde wiederkommen, um ausführlicher mit euch zu sprechen.“
    „Nein! Komm nicht zurück!“, forderte Corona sie auf.
    „Auf Wiedersehen“, sagte die Pilgerin und führte ihre Gruppe über die Baumspitzen der Oase weg.
    Greif folgte ihnen in gewissem Abstand und noch im Verborgenen.
    Wohin flogen sie jetzt? Wo war dieser BAUM? Ein Teil von ihm wollte sich ihnen anschließen. Vielleicht lag es einfach daran, dass die Anführerin ein Silberflügel war und er ihr instinktiv vertraute. Wenn sie über das Totsein Bescheid wusste, vielleicht wusste sie auch andere Dinge. Aber möglicherweise würde sein Leuchten sie von ihm abhalten. Und was war dieser BAUM? Und warum hatten alle anderen solche Angst vor ihm?
    Unmittelbar am Rand der Oase landeten sie alle in den Bäumen. Während Greif zuschaute, ließ sich das Silberflügel-Weibchen der Reihe nach bei jedem nieder, drückte ihr Gesicht dicht an sie heran und sang etwas mit ruhiger Stimme. Greif konnte diesen Gesang natürlich nicht hören, aber jede Fledermaus breitete, nachdem sie ihn vernommen hatte, die Flügel aus und schwang sich hinaus über die Wüste.
    Bald blieb nur das Silberflügel-Weibchen zurück. Greif wusste nicht, ob er es ertragen konnte, sie auch noch wegfliegen zu sehen. Er sah, wie sie seufzte, als sie den losfliegenden Fledermäusen hinterherschaute, dann beugte sie die Knie, öffnete die Flügel und machte sich zum Flug bereit.
    „Warte!“, rief Greif, und im gleichen Augenblick – oder einen Sekundenbruchteil vorher, er war sich nicht sicher – drehte sich das alte Silberflügel-Weibchen um. Es war, als hätte sie seine Stimme erwartet, oder vielleicht hatte sie seinen leuchtenden Körper durch die nackten Zweige entdeckt.
    Greif sah, wie sie ihren Blick über ihn schweifen ließ und ihn dann fest auf ihn richtete. Sie starrte ihn förmlich an. Dann ließ sie sich von ihrem Ast fallen und kam mit solcher Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit auf ihn zugebraust, dass Greif zurück zum Stamm flitzte und sich plötzlich unsichtbar wünschte. Mit einem Knacken der alten Flügel ließ sie sich nieder und musterte

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