Feuerflügel: Roman (German Edition)
umkreiste Greif den Kaktus, dann ließ er sich auf einem hohen Ast nieder. Der war in zwei Hälften aufgespalten und fügte sich dann wieder zusammen, sodass er ein kreisrundes Loch bildete. Plötzlich raste er direkt auf die Öffnung zu – würde er da hineinpassen? – und schoss unmittelbar hindurch auf die andere Seite.
„Warum ...“, begann er zu fragen, aber schon schimmerten und bewegten sich die Bilder und er flog wieder, über Wüste und dann über ein Tal, und am Ende des Tales befand sich eine riesige Höhle. Um sie herum flatterten zahlreiche Fledermäuse.
Das wirkte einladend, aber offenbar sollte er dort nicht bleiben, denn er wurde vorbeigerissen, raste für einen Augenblick weiter in die Dunkelheit, bevor dann ... Ein gewaltiger Cañon, dessen Wände in völlige Finsternis hinabfielen. Er erstreckte sich in beide Richtungen, ohne Unterbrechung, wie eine riesige schreckliche Narbe, und Greif wollte ihn gerade zur anderen Seite hin überqueren. Dabei fühlte er im Magen eine schreckliche gähnende Grube und gleichzeitig das Verlangen, direkt nach unten zu schauen; aber – vielleicht zu seinem Glück – er konnte es nicht, denn er kontrollierte diesen Flug nicht. Er wusste nur, dass es etwas Schreckliches in diesem großen Cañon gab, und schon der Gedanke, darüber hinwegzufliegen, verursachte ihm Übelkeit.
Nun eine Wende. Er schwebte zwischen zwei hohen steinernen Säulen, die den Cañon wie die Hörner eines vergrabenen Tieres flankierten, und dann, als sein Kurs ausgerichtet war, verschwamm die Landschaft neben ihm in unmöglicher Geschwindigkeit, bis ... Ein tiefes Tal, umgeben von Bergketten. Das Tal war leer, tot, doch plötzlich schoss aus dem Boden ein schwacher Spross, Knospen brachen auf, als er höher heranwuchs, verdickte sich zu einem Stamm, der sich mit Rinde umgab. Er wuchs mit Schwindel erregender Schnelligkeit, gerade noch ein Bäumchen, das sich zum Himmel streckte, nun schon ein ausgewachsener Baum, dessen Hauptstamm sich in immer mehr Äste verzweigte, aus denen Blätter sprossen, und die sich weiter verästelten. Der Baum überragte jetzt Berge, und Greif musste seitwärts ausweichen, als der Stamm an ihm vorbeischoss. Seine hunderte von Ästen ragten himmelwärts, bis es so aussah, als kratzten sie direkt am Himmelsgewölbe.
„Der BAUM!“, sagte er entzückt. Er war so groß, so schön.
Dann entzündete er sich, seine ganze Oberfläche war in Flammen gehüllt.
Greif schrie überrascht auf. In einem Augenblick war der BAUM so von Flammen verschlungen, dass es aussah, als wären der BAUM und all seine Äste ganz aus Feuer. Wie konnte das ein Weg hinaus sein?
Auf halber Höhe des Stammes befand sich ein kleines Astloch, die einzige Unterbrechung in der siedenden Flammenhaut des BAUMES. Jenseits dieser Dunkelheit konnte Greif nichts erkennen, aber es war, als ob man in das hypnotisch wirkende Auge eines Tieres blickte. Es lockte ihn, obwohl er spürte, wie ihn sein Instinkt zurückhalten wollte. Da hineinfliegen? Wie konnte das jemand tun? Kein Wunder, dass die Fledermäuse der Oase glaubten, der BAUM sei ein Ort des Todes und der Qual. Zu nahe heranzufliegen und ...
Luna. Wie sie in Spiralen zu Boden ging, ihre Flügel in Flammen.
Er riss die Augen auf. Frieda betrachtete ihn geduldig.
„Verstehst du?“, fragte sie ihn. „Das waren alle Landmarken. Hast du sie behalten?“
Er gönnte sich etwas Luft. „Der Pfad in dem geborstenen Schlamm. Der dicke Baum, ich meine, der Kaktus, und ich zwänge mich durch das Loch in dem Ast, das bringt mich auf Kurs zu der großen Höhle. Vorbei an der Höhle und über den Cañon, nicht nach unten schauen, wenden und zwischen diesen beiden gespenstischen schlanken Steintürmen hindurch. Und das bringt mich dann so ziemlich zum BAUM. Hm, brennt der immer, du weißt schon, so ... hell?“
„Das tut er, aber du brauchst davor keine Angst zu haben.“
„Keine Angst vor dem wütenden Inferno! Ich werde daran denken.“ Er brach in ein nervöses Kichern aus, aber es gelang ihm, das zu unterdrücken, als er merkte, dass Frieda ihm noch mehr zu sagen hatte.
„Der Weg kann sich ändern“, erklärte sie. „Zotz gestaltet die Landschaft um, wenn es ihm passt. Das Beste ist, du brichst sofort auf. Lass dich von niemandem ablenken auf deiner Reise. Es könnte jemanden geben, der versucht, dich zu bremsen oder aufzuhalten.“
„Wer?“, wollte er wissen.
„Die, die dich um dein Leben beneiden. Und es gibt auch noch die
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