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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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dachte er, er selbst wäre der Verrückte, der Unsinn brabbelte. Offensichtlich brauchte er eine bessere Strategie.
    „Wie lange lebst du also schon in der Oase?“, fragte er nachlässig.
    Sie zuckte die Achseln. „Schon immer.“
    „Seit deiner Geburt?“
    Ihr Gesicht bewölkte sich für einen Augenblick, dann sagte sie fast aufsässig: jawohl.“
    „Wo ist deine Kinderstube?“
    Sie wedelte vage mit dem Flügel. „Da drüben.“
    „Wer ist deine Mutter?“
    „Was sollen all die Fragen?“
    „Weißt du es?“
    „Natürlich weiß ich, wer meine Mutter ist!“
    „Wie heißt sie denn?“
    „Das ist blöd.“ Aber zum ersten Mal wirkte Luna beunruhigt. „Hm ... sie heißt ... Serena.“
    „Nein.“
    „Ich werde doch wissen, wie meine eigene Mutter heißt“, beharrte sie verärgert.
    „Frieda hat gesagt, die Toten erinnern sich an nichts. Die Erinnerungen sind da, aber du hast einfach Schwierigkeiten, sie zu sehen – oder du willst es nicht.“
    „Das ist alles nur Gerede.“
    „Du hast keinen Herzschlag“, sagte er traurig. „Und du bist kalt. Lebendige Wesen sind warm. Deswegen habe ich ... Angst bekommen und bin weggeflogen. Es tut mir Leid.“
    „Einen Herzschlag?“, fragte sie, als wäre ihr diese Idee unbekannt.
    „Komm näher. Halte deinen Kopf hierher, du kannst ihn hören.“
    Zögernd rutschte sie den Ast entlang und presste ihm ihr Ohr mitten auf die Brust.
    „Laut“, sagte sie und zog den Kopf zurück.
    „Ja, nun, er wird lauter und schneller, wenn du Angst hast.“
    Sie legte einen Teil ihres Flügels gegen die eigene Brust und horchte aufmerksam hin.
    „Vielleicht haben einige Fledermäuse einfach keinen“, meinte sie.
    „Schau dir deine Flügel an.“ Er mochte das nicht tun. „Erzähl mir, wie es passiert ist.“
    Sie betrachtete stirnrunzelnd die Narben, wollte schon etwas sagen, dann schüttelte sie leicht den Kopf. „Ich glaube, ich bin von Geburt an so.“ Aber sie sprach ohne Überzeugung.
    Er beobachtete sie und wartete ab.
    „Du weißt es, willst du das damit sagen?“, fragte sie. „Ich weiß es.“
    Sie zuckte die Achseln, dann einen Augenblick später: „Lass deine Geschichte hören. Ich behaupte allerdings nicht, dass ich sie glauben werde oder so was.“
    Er wollte das nicht tun, aber wenn er einmal den Anstoß gab, dass sie anfing, sich zu erinnern, vielleicht würde es dann einen Erdrutsch geben. Aber wollte er wirklich, dass sie sich ausgerechnet an diese Sache erinnerte? Sorgfältig wählte er mit heiserer Stimme seine Worte.
    „Es hat ein Feuer in unserem Wald gegeben. Und du hast Verbrennungen gehabt. Die Ältesten haben versucht, dich gesund zu machen. Alle haben sich um dich gekümmert, aber du warst zu schlimm verbrannt. Du bist gestorben.“
    „Aber ich habe nicht das Gefühl, tot zu sein.“
    „Dies ist die Unterwelt, Luna.“
    „Du weißt anscheinend alles“, sagte sie zornig. „Alles auch über mich.“
    „Wir sind zusammen aufgewachsen.“
    „Ist mir neu.“
    „Als du mich zum ersten Mal hier unten gesehen hast, bist du sofort zu mir hergeflogen, obwohl ich geleuchtet habe! Alle anderen Fledermäuse haben Angst vor mir. Sie verschwinden einfach. Du nicht. Du bist direkt zu mir gekommen. Weil du dich an mich erinnert hast!“
    Sie starrte ihn an, dann schaute sie weg. „Ich erinnere mich nicht an dich. Ich erinnere mich an nichts.“
    „Nun, ich erinnere mich an dich“, sagte Greif. „Und ich werde dir alles erzählen, was du wissen willst. Wenn du mit mir kommst.“
    „Wohin?“
    „Zum BAUM.“
    Plötzlich bemerkte er die anderen Fledermäuse, dutzende von ihnen, die in den Ästen hingen und ihn böse anstarrten.
    „Verschwinde!“, schrie Corona, ließ sich von ihrem Ast fallen und flatterte wütend um Greif herum. „Du vergiftest diese Kolonie!“
    „Du verbreitest Lügen!“, rief eine andere Fledermaus, und dann schrien sie alle auf ihn ein, die Luft war plötzlich erfüllt von ihren gezackten Flügeln.
    „So schlimm wie die Pilger!“
    „Wir lassen uns diese Lügen nicht gefallen!“
    „Verschwinde! Verschwinde!“
    „Vertreibt ihn!“
    „He!“, rief Luna. „Wir reden bloß!“
    Greif klammerte sich wie gelähmt an seinen Ast. Sie wirkten so wütend und sie waren so viele, dass er Zweifel hatte, er könne an ihnen vorbei. Dann griffen sie an, schlugen ihn mit den Flügeln.
    „Verschwinde! Verschwinde!“
    „Lügen!“
    „Will uns vernichten!“
    Zuerst versuchte Greif, sie abzuwehren, aber es waren zu viele, und

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