Feuerflügel: Roman (German Edition)
sie waren erbarmungslos. Er wickelte sich in seine Flügel, machte sich klein gegenüber den Schlägen, die auf ihn herabprasselten.
„Was tut ihr da?“, hörte er Luna über den Lärm ihres Geschreis rufen.
Sie kletterten jetzt über ihn her, drängten sich von allen Seiten und von oben heran, versuchten, seine Füße vom Ruheplatz loszuzerren. Er spürte ihre schrecklichen, kalten Körper, merkwürdig leicht, aber noch kräftig, wie sie ihn mit ihren Klauen packten. Sie waren doch tot, wie konnten sie ihm dann noch wehtun? Aber sie taten es! Konnten sie ihn umbringen?
„Hört auf!“, schrie er. „Hört auf damit!“
Die Füße wurden ihm von der Rinde weggezogen und er fiel, wobei ihm noch dutzende von Fledermäusen auf Rücken und Brust hockten. Er landete hart auf einem anderen Ast und weitere Fledermäuse türmten sich auf ihn.
„Lasst ihn in Ruhe!“, konnte er Lunas Stimme wie aus weiter Ferne rufen hören. „Geht runter von ihm! Ihr erdrückt ihn noch!“
Sie packten ihn an der Kehle, traten ihm auf die Brust, und er hatte Schwierigkeiten zu atmen. Versuchte zu schlucken, konnte es nicht, und nun keuchte er nach Luft. Keine Luft, keine Luft. Bitte geht runter! Sein Blick wurde unscharf, pulsierte, begann, am Rande dunkel zu werden.
Und dann sah er es.
Er leuchtete tatsächlich. Licht erhob sich von seinem Körper wie Nebelschwaden, aus seinen Nasenlöchern, von seinem Mund. Er konnte sehen, wie es in die Luft aufstieg und ... sang. Ja, sang. Das Leuchten hatte einen Klang, anders als er je einen gehört hatte. Er war wie ein Lied. Er war wie ein Schrei. Ein einziger Ton, rein und betörend, aber auch eindringlich und quälend schrill. Er war gleichzeitig schön und erschreckend.
Die anderen Fledermäuse mussten das klingende Licht auch gesehen und gehört haben, denn sie ließen mit Angstschreien von ihm ab, ihre Ohren flach angelegt. Sofort spürte er, wie das furchtbare, eiskalte Gewicht der toten Fledermäuse ihn verließ, und er hustete und schnappte keuchend nach Luft für seine misshandelten Lungen.
Und er sah, wie mit der Luft auch das Licht in ihn zurückgesaugt wurde und sich wieder mit ihm vereinte. Der Jammerton wurde schwächer und verstummte. Das Licht verschwand. Er konnte sein eigenes Leuchten nicht mehr sehen.
Er blinzelte, fragte sich, ob alles nur eine Halluzination gewesen sei.
Aber warum waren dann alle toten Fledermäuse verschwunden? Er hatte den Ausdruck des Entsetzens auf ihren Gesichtern gesehen. Was immer das Licht und der Klang waren, er brauchte sie in seinem Inneren ganz so wie Blut und Atem. Er spannte die Brustmuskeln an, besorgt, das Leuchten könne wieder aus ihm herausfliegen.
Als eine andere Fledermaus plötzlich neben ihm landete, zuckte er zusammen. Es war Luna.
„Geht’s dir gut?“
„Du hast Recht gehabt“, knurrte er, „ich leuchte.“
„Ich kann nicht glauben, dass sie das getan haben“, sagte sie wütend. „Es ist abscheulich! Es tut mir wirklich Leid. Ich hatte keine Ahnung, dass sie so wütend würden, wirklich nicht, Greif.“
„Nicht deine Schuld“, sagte er. Dann starrte er sie überrascht an. „He! Du hast mich Greif genannt.“ Sie wirkte verwirrt. „So heißt du doch, oder?“
„Jawohl, aber ich habe dir das nie gesagt!“, rief Greif aufgeregt.
„Du musst es ...“
„Nein, habe ich nicht! Aber du hast es trotzdem gewusst.“
„Und was beweist das?“
„Dass du dich an mich erinnerst von der Zeit, als du noch am Leben warst!“, sagte er strahlend. „Dass ich die Wahrheit sage. Dass ich Recht habe!“
„Dass ich tot bin, meinst du?“
Er hörte auf zu lächeln. Er war niedergeschlagen. jawohl.“
„Greif“, sagte sie und blickte ihn durchdringend an. Und in ihren Augen sah er, glaubte er, etwas Durchscheinendes, einen klaren Blick auf die Vergangenheit, als hätte sie irgendwie einen Zipfel von ihr erhascht. Dann bewölkte sich ihr Gesicht. „Ich kann mich immer noch nicht an dich erinnern. Oder dass ich tot bin, oder sonst etwas.“
Zärtlich drückte er seine Wange an ihr kaltes Fell. „Du wirst dich erinnern. Aber du musst mit mir kommen.“
Sie schniefte, blickte sich im Wald um. „Ich kann nicht glauben, was sie dir angetan haben. Sie sind verrückt. Du glaubst, die Pilger haben Recht, dass wir zu diesem BAUM ziehen sollen?“
Er nickte heftig.
„Und du wirst mir Dinge erzählen, alles, was ich wissen will? Du wirst mir über mich selbst erzählen?“
„Versprochen.“
„Dann komme ich mit
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