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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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schrie Greif. Aufgelöst. Verschwunden. Entsetzt sah er sich um, konnte es kaum glauben. „Du siehst das auch, oder? Es liegt nicht nur an mir?“
    „Ich sehe es“, murmelte Luna.
    „Kommt das hier häufig vor?“
    „Nicht dass ich wüsste.“
    „Denn falls es dich interessiert“, schrie Greif, „das ist nicht normal.“
    Große, fette Blasen bildeten sich auf der Oberfläche und platzten, kochten überall hoch. Instinktiv flog Greif mit Luna höher. Wie sollten sie nun ihren Weg finden? Frieda hatte gesagt, die Landschaft würde sich ändern, aber er hatte das nicht so bald erwartet oder so drastisch. Er kämpfte gegen den Wind an und versuchte, einen geraden Kurs beizubehalten. In seinen Schläfen hämmerte ein Kopfschmerz im Gleichklang mit seinem Herzschlag. Die ganze Wüste war jetzt geschmolzen, eine Million schwarzer Mäuler faltete sich auf, klappte wieder zu, gierte danach, ihn zu verschlingen.
    „Luna“, sagte er ängstlich, „jetzt gibt es nichts mehr, wo wir uns niederlassen könnten.“
    „Wir müssen einfach weiterfliegen, Greifchen.“
    Sie erinnerte sich sogar an seinen Spitznamen. Irgendwie tröstete ihn das und trotz des Brennens in der Brust biss er die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf seine Flügelschläge. Vor zehn Minuten hatte er sich nicht ausruhen müssen – nun konnte er nur noch daran denken.
    „Dies muss doch bald aufhören, oder?“, keuchte er. „Natürlich“, sagte Luna.
    „Natürlich“, wiederholte er und versuchte, es zu glauben. „Aber, sag doch, wenn es nicht aufhört, müssen wir irgendwann trotzdem landen, und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin nicht scharf darauf, in diesen Leim da unten abzustürzen. Es wirkt wie eine Art Sumpf-Situation. Dieser wirklich klebrige Schlamm wird dich einfach aufsaugen und dir Nase und Mund verstopfen und ...“
    „Ist das ein Baum?“, unterbrach ihn Luna. „Da drüben?“
    Am Horizont ragte ein merkwürdiger, dicker Baum krumm aus der Erde.
    „Das ist er!“, rief Greif erleichtert. „Der Kaktus!“ Als sie näher heranflatterten, sah er, dass er auf einem kleinen Hügel wuchs und irgendwie nicht in den brodelnden Morast gekippt war, der gegen den unteren Teil seines Stammes brandete. Er hatte eine Anzahl gerader, pummeliger Arme und zwischen den bösartig scharfen Stacheln prangten merkwürdige Blüten. Luna flog bereits auf die stachligen Äste zu, aber Greif zögerte noch.
    „Meinst du, es ist sicher?“, fragte er. „Ich meine strukturell. Das Ganze hat eine ziemliche Schlagseite.“ Luna schaute erstaunt über den Flügel zurück. „Greif, siehst du irgendwelche anderen Bäume hier in der Gegend?“
    „Es ist ein Kaktus, genau genommen. Und nein, sehe ich nicht. Aber ...“
    „Komm schon, was kann im schlimmsten Falle passieren?“
    Greif musste grinsen.
    „Was ist so komisch?“, fragte sie.
    „Du hast das zu Hause immer zu mir gesagt. Es war ein Scherz zwischen uns, weil ... nun, ich habe immer gedacht, das Schlimmste würde passieren.“
    „Also, was wäre das Schlimmste?“
    „Das Schlimmste? Wir landen und der Kaktus kippt um und reißt uns mit in den kochenden Schlamm.“
    „Wir fliegen weg, wenn er anfängt zu fallen.“ „Gut. Ein guter Plan.“
    „Sonst noch etwas?“
    „Das Ding sieht gespenstisch aus. Nicht gerade einladend, wenn du verstehst, was ich meine. All diese spitzen Teile und ... ach, vergiss es“, sagte er erschöpft. „Du hast Recht. Wir wollen landen.“ Vorsichtig achtete er auf die Stacheln, glitt an den Kaktus heran, packte die glatte Rinde und drehte sich kopfüber. Schien richtig massiv. Es war nicht recht zu verstehen, dass er noch da stand, eine kleine Insel in einer bewegten See. Wenigstens wurden die Wogen anscheinend nicht schlimmer.
    „Ich denke, dies passiert hier andauernd“, sagte er und blickte auf den Horizont, der sich hob und senkte. Frieda hatte ihm geraten, sich nirgendwo aufzuhalten, sondern in Bewegung zu bleiben. Aber auf keinen Fall würde er wieder aufbrechen, wenn es keinen Landeplatz gab. Das wäre, als ob man sich über den Ozean hinauswagte und als Zuflucht auf eine Insel oder ein vorbeifahrendes Schiff hoffte. Er musste an seinen Vater denken, der während eines Sturms einmal fast im Meer ertrunken wäre. Er hatte überlebt. Er hatte alles überlebt.
    „Die erste Landmarke“, sagte Luna.
    „Jawohl“, bestätigte er überrascht. Bei all der Angst hatte er das ganz vergessen. Er spürte einen Anflug von Stolz. So weit hatte er

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