Feuerflügel: Roman (German Edition)
Glück, denke ich“, antwortete er. Smog sagte nichts weiter, aber Schatten bemerkte, dass er ab und an zu ihm herüberblickte. Dann weitete er die Nüstern, als würde er schnuppern. Vielleicht brauchte dieser Kannibale ja keine Nahrung mehr, aber Schatten fragte sich, ob ein lebenslanger Instinkt so leicht ausgelöscht werden konnte.
–14–
Der Kaktus
Luna blickte immer wieder über ihren Flügel nach hinten, und auch Greif spürte einen Zipfel Bedauern, als sich die Baumwipfel der Oase schließlich in der fernen Dämmerung auflösten. Er wandte den Blick wieder auf die schreckliche schlammverkrustete Ebene, die sich endlos vor ihm ausdehnte. Kein Wunder, dass so wenige Fledermäuse zum BAUM aufbrechen wollten. Man musste schon ziemlich entschlossen sein, um sich über diese Öde hier hinauszustürzen. Die Oase nahm langsam ein ziemlich einladendes Aussehen an, obwohl sie mit verrückten Bäumen und mit Fledermäusen angefüllt war, die das Leben aus ihm herauswürgen wollten.
„Alles in Ordnung“, sagte er zu Luna und hoffte, dass das aufmunternd klang. Vielleicht brauchte er sie ja gar nicht aufzumuntern. Zu Hause war das jedenfalls nie nötig gewesen. Er selbst hatte allerdings das Gefühl, auf jede Menge Ermutigung angewiesen zu sein.
Sie flog neben seiner linken Flügelspitze, und als er zu ihr hinüberblickte, fühlte er sich gleich etwas besser. Sie waren zusammen, wie schlimm konnte es da schon sein? Schlimm, dachte er. Es konnte trotz allem immer noch schlimm sein.
Er fühlte sich müde und schwach, und sie waren erst ein paar Stunden geflogen und folgten dabei der tiefen, geraden Schlucht, die Frieda in ihrer Klangkarte aufgezeigt hatte. Er staunte, dass er irgendwie schneller war als Luna. Seine Flügelschläge zogen ihn immer wieder an die Spitze. Zu Hause war sie eine erstaunliche Fliegerin gewesen, kräftiger und schneller als er. Jetzt verlangsamte Greif absichtlich seinen Flug, damit sie mitkam. Er wollte nicht, dass sie es merkte und sich deswegen schlecht fühlte. Aber es begann auch, ihm Sorge zu machen. Sie könnte dich langsamer machen, hatte Frieda ihn gewarnt.
„Wir waren also Freunde, stimmt’s?“, fragte Luna.
„Jawohl. Du hattest auch eine Menge anderer Freunde. Du warst sehr beliebt.“
„Wirklich?“ Das schien ihr zu gefallen. „Warum?“
„Du warst fröhlich und mutig und ... es machte einfach viel Spaß, in deiner Nähe zu sein.“
„Das gefällt mir, was ich da höre“, sagte sie grinsend. „Du darfst weiterreden.“
„Jeder wollte dein Freund sein. Du hattest immer gute Ideen. Nun, aufregende Ideen jedenfalls. Ich war nicht immer sicher, ob es gute Ideen waren, offensichtlich waren sie wagemutig und höchstgefährlich.“
„Du denkst dir das doch nicht aus?“
„Nein.“
Sie lachte. „Also, was für Sachen habe ich gemacht?“ „Nun, das Eulenspiel zum Beispiel...“ Und er erzählte ihr alles darüber und viele von den anderen Sachen, die sie zu Hause im Baumhort gemacht hatte.
„Hört sich lustig an“, meinte sie und verstummte plötzlich.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er. Er machte sich Sorgen, er hätte etwas Falsches gesagt oder getan.
„Nur die Art, wie du davon erzählst. Als ob es endgültig vorbei wäre. Und ich kann mich noch nicht einmal an mich selber dabei erinnern.“
„Das wirst du noch.“
„Ja?“ Sie blickte ihn so sehnsüchtig an, dass sich ihm das Herz zusammenkrampfte.
„Ganz sicherlich“, sagte er in der Hoffnung, nicht zu lügen. „Je mehr wir davon sprechen, desto mehr wirst du daran denken. Es wird alles zurückkommen.“
„Das wäre gut“, meinte sie nickend. „Wenn ich mich erinnern könnte, wäre es nicht so schlimm.“
„Ich bin von jetzt an dein Gedächtnis. Alles, was du wissen willst – du brauchst nur zu fragen.“
„Das Feuer“, fragte sie. „Wie ist das passiert?“
Beim Anblick ihrer vernarbten Flügel zuckte Greif immer noch zurück, und obwohl er versuchte, nicht hinzuschauen, merkte er doch, dass sein Blick dorthin gezogen wurde. Eben hatte er ihr versprochen ..., aber was nützte es, ihr die Wahrheit zu sagen? Das würde kein bisschen helfen. Würde nur dazu führen, dass sie ihn hasste. Und er brauchte sie als Freundin in dieser Unterwelt. Er wollte ihr helfen, von hier wegzukommen – alles wieder gutmachen nach der schrecklichen Sache, die er angerichtet hatte. Aber das war nur ein Teil der Angelegenheit. In Wahrheit hatte er auch zu viel Angst, allein zum BAUM zu
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