Feuerflügel: Roman (German Edition)
anblickte, wirkte so, als ob er vom vollen Glanz des Mondes beschienen würde. Er hatte Eindruck auf sie gemacht. Stark. Wenn er stark war, vielleicht konnte er dann auch mutiger sein. Was er mit diesem Vampyrum gemacht hatte, war kaum mutig genug. Er war bloß einfach versteinert gewesen und er hatte in Notwehr um sich geschlagen. Wie jeder das getan hätte. Die Genugtuung, die er bei dem Gedanken, stark zu sein, gespürt hatte, verflog schnell wieder. Er war nicht sicher, ob er tatsächlich der Stärkste sein wollte und damit derjenige, der die Dinge in die Hand nehmen musste. „Danke“, sagte Luna. „Dass du mich nicht im Stich gelassen hast.“
„Oh“, sagte er überrascht. Er erinnerte sich, wie sehr er das hatte tun wollen. Er schüttelte nur verlegen den Kopf.
„Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte“, meinte Luna, „auszuharren, wenn sich dieses Ding auf mich gestürzt hätte. Was war das eigentlich?“
„Ein Vampyrum Spectrum. Ich bin jedenfalls ziemlich sicher. Es sind Kannibalen aus den südlichen Dschungeln. Ich denke, du erinnerst dich nicht an all die Geschichten, die wir uns immer erzählt haben.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Sie kamen oft in unseren Spielen vor. Du wolltest immer gerne einer von den Kannibalen sein.“
„Tatsächlich?“, fragte Luna erstaunt, aber auch sie lächelte.
„Jawohl. Du musstest alle jagen und so tun, als ob du sie fressen wolltest. Für dich war das ein großer Spaß.“
„Nun“, meinte sie, „es konnte kaum so ein Spaß sein wie dies hier. Zuerst gibt es den bösen Kaktus und ... wie hast du es noch mal genannt? Eine Art Schlingende-Ranken-Situation? Und dann, als wir schon dachten, es könnte gar nicht noch lustiger werden, taucht diese riesige Fleisch fressende Fledermaus auf!“
Schatten musste so heftig lachen, dass er einen Krampf in der Seite bekam. Er hatte nicht bemerkt, wie angespannt er war, ein einziger dicker Knoten aus Muskeln, Sehnen und Angst. Er schaute über die Schulter zurück.
„Glaubst du, der Vampyrum wird uns verfolgen?“
„Keine Gefahr. Er wird eine Million Flügelschläge Abstand von dir halten!“
Greif grinste und wünschte, er könnte sich da so sicher sein.
„Es ist komisch“, sagte er, „wie er direkt auf mich zukam. Mich direkt angeschaut hat. Niemals dich. Es war, als ob er nur nach mir jagte. Als ob er wüsste, wo ich bin.“
„Ich glaube, du bist ein bisschen paranoid.“
„Paranoid? Lass sehen. Wir sind im Land der Toten, die Erde kocht, ein Kaktus fängt an, dich wie in einen Kokon einzuwickeln, und eine Kannibalenfledermaus versucht, mich zu fressen. Jawohl, ich würde sagen, ich bin ziemlich paranoid!“
„Wie könnte er denn nach dir suchen?“, fragte Luna. „Das ist verrückt.“
„Mein Leuchten! Vielleicht konnte er erkennen, dass ich am Leben bin!“ Er schaute sich vorsichtig um. Er fühlte sich wie ein riesiges Glühwürmchen, das für jedes Raubtier in der Unterwelt eine Flammenspur legte. „Was ist, wenn er mich verfolgt? Wir können nicht noch einmal anhalten, Luna. Wir werden nicht mehr schlafen können.“
„Ich habe nicht geschlafen“, erinnerte sie ihn.
„Ich also. Wie soll ich denn schlafen? Ich meine, wo ist es sicher? Und wenn ich mich nicht ausruhen kann, werde ich richtig müde und schwach werden, und wenn ich schwach bin, wie soll ich dann ...“
„Greifchen, es ist schon okay“, sagte sie fest. „Du kannst dich ausruhen. Du kannst schlafen. Ich werde Wache halten.“
„Was ist, wenn Dinge anfangen, sich zu bewegen oder zu wachsen ...“
„Ich werde besser aufpassen nächstes Mal. Versprochen. He, wie kommt es, dass diese Ranken dich nicht eingefangen haben?“
Greif runzelte die Stirn. Daran hatte er nicht gedacht. „Ich weiß es nicht. Aber dieser Ort bringt mich noch zum Ausflippen.“
„Wir werden bald weg sein, kein Problem.“
„Okay, gut. Danke.“ Er zwang sich dazu, tief Luft zu holen. Er war so froh, dass Luna hier war, und wünschte nur, er könnte ihre Zuversicht teilen.
„Du bist sicher, dass dies der richtige Kurs ist?“, fragte er plötzlich. Die schlammverkrusteten Ebenen erstreckten sich nach allen Richtungen ohne unterscheidende Merkmale – nichts, was in ihm die Erinnerung an Friedas Karte weckte.
„Ich denke, schon“, meinte Luna.
„Du denkst?“
Sie zuckte plötzlich zusammen und blickte auf die bösen Narben auf ihren Flügeln. „Ich habe so genau hingeschaut, wie es mir dieses Flattermonster erlaubt hat“, sagte
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