Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
immer tiefer hinab zurück in den Himmel der Unterwelt. Und erst dann hatte ich wieder eine Gestalt. Ohne Leben sind diese toten Körper da oben nutzlos. Erspart euch die Qual, die Oberwelt nur für einen Augenblick zu sehen und dann mitzuerleben, wie sie euch wieder entrissen wird.“
    Schatten sagte nichts. Er dachte an den zischenden Spalt beim Felsenlager, stellte sich vor, wie Smog an seinen Rand krabbelte und verzweifelt versuchte, zur Oberfläche zurückzukommen. Es war ein Mitleid erregendes Bild, aber in erster Linie fühlte er sich erleichtert, dass es toten Vampyrum verwehrt war, wieder in die Oberwelt zurückzukehren. Er hoffte nur, Smog sagte die Wahrheit.
    Schatten wandte sich zu Java. Es schien unfair, dass er sie nach all ihrer Hilfe auf dieser elenden Reise verlassen würde. Durch die Unterwelt zu einem BAUM, der vielleicht existierte, vielleicht aber auch nicht.
    „Es tut mir Leid“, sagte er.
    „Das ist nicht nötig“, erwiderte sie. „Es wird uns Leid tun, dich gehen zu sehen. Aber geh ohne Mitleid für uns. Wir haben den BAUM.“
    Schatten nickte und flog für einen Augenblick abseits, um noch einmal Greifs Spur zu überprüfen. Immer noch genau auf Kurs. Er wollte gerade die Augen öffnen, als ein Blitz in seinem Echo-Sehen sein Herz erkalten ließ. Da war wieder Goth, sein Bild war jung und klar umrissen. Und er flog auf dem gleichen Kurs wie Greif.
    Helle Dämpfe verschleierten den Höhleneingang und machten es unmöglich hineinzuschauen. Greif schoss Klang aus, aber sein Echo-Sehen ergab nur einen silbernen Fleck.
    „Lass dich doch davon abbringen“, sagte er zu Luna, indem er sie umkreiste.
    „Nur einen winzigen Blick, Greifchen.“ Etwas an diesen Worten verursachte ihm noch größeres Unbehagen.
    „Mir kommen ganz unheimliche Gedanken“, sagte er. „Eine Art von Schlimmster-Fall-Situation. Ich meine, eigentlich ist es doch ganz einfach, Luna. Frieda hat uns gesagt, wir sollen dies hier ignorieren und vorbeifliegen. Und schau es dir an. Die Höhle könnte zuschnappen wie ein Paar Kiefer. Der ganze Hügel könnte im Sand versinken und uns mitreißen. Im Inneren gefangen. Für immer. Das würde mich nicht überraschen bei so einem Ort. Es wäre, genau genommen, sogar ziemlich typisch.“
    „Bitte“, sagte sie süß.
    „Du willst, dass ich mir gemein vorkomme.“
    „Das ist gut so.“
    „Es ist schwer, einer toten Person etwas abzuschlagen.“
    „Du würdest dir ziemlich grausam vorkommen, oder? Ich jedenfalls würde mir grausam vorkommen.“
    „Luna, ich habe noch niemanden wieder herauskommen sehen.“
    Sie neigte den Kopf und spitzte die Ohren. „Ich höre kein Weinen oder Schreien. Vielleicht amüsieren sie sich einfach.“
    Als sollte ihre Behauptung bestätigt werden, vernahm Greif eine Art melodischen Klimperns aus dem Inneren, etwas Lachen, das Rascheln aufgeregter Stimmen.
    „Hörst du?“, fragte Luna.
    „Das ist wirklich keine gute Idee.“
    „Nun, ich gehe hinein. Du kannst hier draußen warten, wenn du willst.“
    Sie flog auf den Eingang zu und wurde rasch von dem leuchtenden Nebel verschluckt. Greif wartete eine Sekunde mit hämmerndem Herzen, dann folgte er ihr. Er konnte sie dort nicht allein hineinfliegen lassen. Und ehrlich gesagt wollte er auch nicht allein hier draußen bleiben. Das Licht hüllte ihn ein wie ein warmer Dunst, und sofort fühlte er sich ruhiger. Das Ganze hatte etwas so Besänftigendes, und er flog blind weiter, bis er aus dem Nebel kam und sich in einer riesigen Höhlung wiederfand, deren Wände und Decke in flackerndes Licht getaucht waren. Millionen von Fledermäusen hingen hier und starrten angestrengt auf den Höhlenboden.
    Greif schaute ebenfalls dorthin. Dort erstreckte sich ein gigantischer See aus Klang und Licht, der sanft pulsierte. Von seiner Oberfläche erhoben sich dünne Lichtfäden wie auch dicke strahlende Säulen, die sich bis zur Decke türmten. Dunstige Spinnwebflächen hingen in der Luft und klingelten leise von Licht durchädert.
    Vor sich sah er Luna. Er flatterte angestrengt, um sie einzuholen.
    „Was ist das alles?“, fragte er mit gedämpfter Stimme und einem Blick nach unten.
    Sie schüttelte nur den Kopf. Gemeinsam kreisten sie in der Höhle und suchten einen Platz, wo sie sich niederlassen konnten. Das war gar nicht so leicht, aber schließlich fanden sie eine Stelle für sie beide.
    Sie hingen nebeneinander. Er wollte nicht lange bleiben. Er betrachtete all die Fledermäuse, die sich dicht um sie

Weitere Kostenlose Bücher